Reitschule-Votum Nummer sechs
Die Stadt will die Grosse Halle der Reitschule sanieren. Die Befürworter und Gegner streiten sich darüber, wie stark man diese als Teil des alternativen Jugendzentrums verstehen soll.

Sie war die Reithalle, als in der städtischen Reitschule – bis 1980 – noch geritten wurde. Heute hat die Grosse Halle, grösstes Gebäude des Reitschule-Komplexes und direkt an der Schützenmattestrasse gelegen, eine Sonderstellung.
Die Stadt als Gebäudebesitzerin vermietet sie nicht, wie den Rest der Reitschule, an die Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur), sondern an einen eigenen Trägerverein. In diesem sitzt zwar die Ikur ein, aber auch die Stadt selber sowie klassische städtische Kulturinstitutionen.
Diese Grosse Halle, deren Betreiber sie als «gedeckte Allmend» verstehen, in der Anlässe wie der legendäre Reitschule-Flohmarkt, aber auch spezielle Opern oder Konzerte stattfinden, will die Stadt sanieren und vor allem kälteresistenter machen. Als Zuschauerin oder Zuschauer in der kühlen Übergangszeit an einer Veranstaltung zu sitzen, kann eine Herausforderung sein.
Drei Millionen Franken soll die Sanierung kosten. Gegen diesen Kredit, den das Stadtparlament gegen die einsamen Gegenstimmen der SVP guthiess, ergriff Stadt-, Gross- und Nationalrat Erich Hess (SVP) erfolgreich das Referendum. Es ist das sechste Mal, dass sich die Stadtberner Stimmberechtigten zur Reitschule äussern.
Eigener Leistungsvertrag
Diesmal allerdings geht es um einen Teil der Reitschule, bei dem unklar ist, wie eng man ihn zum alternativen Kulturzentrum zählen kann. Oder muss. Bis zu einem gewissen Grad ist die Grosse Halle unabhängig vom Reitschule-Betrieb und wird von diesem immer wieder als zu kommerziell kritisiert.
Aus diesem Grund besetzte vor zwei Monaten eine Gruppe, «die Wohlstandsverwahrlosten», ein paar Wochen die Grosse Halle. Danach kündigten die Betreiber den Veranstaltern der kommerziellen Party «We Love Techno».
Finanziell ist die Beziehung der Grossen Halle zur Stadt in einem eigenen Leistungsvertrag geregelt. Gemäss diesem erhält der Trägerverein 240'000 Franken jährlich. Auf 200'000 Franken beläuft sich der Mietzins, den die Stadt den Betreibern erlässt.
Bleiben 40'000 als städtischer Beitrag für die Bespielung der gedeckten Allmend. Das sei zu wenig, sagen die Betreiber, um ein anspruchsvolles soziokulturelles Programm zu finanzieren.
Ungefähr acht Events mit mindestens 2000 Zuschauern pro Jahr seien nötig, um das Geld hereinzuspielen zur Querfinanzierung des Programms, sagen die Betreiber. Vernünftigerweise könne man das in der Grossen Halle nur machen, wenn diese über einen zeitgemässen Brandschutz verfüge, anständig isoliert sei und den Künstlern eine zeitgemässe Infrastruktur biete.
«Das geht nicht»
Das ist im Wesentlichen der Gegenstand des Baukredits über drei Millionen Franken. Gegner Erich Hess hält sich nicht lange mit Unterscheidungen zwischen Grosser Halle und dem Rest des linksalternativen Kulturzentrums auf. Für ihn ist die Reitschule insgesamt ein Hort von Gewalt, Drogenhandel und Vandalismus, der sich nicht an die Regeln hält und von der Stadt ständig bevorteilt werde.
«Wer ein Problem hat mit dem Reitschule-Betrieb, soll Kritik üben, wenn das nächste Mal die Leistungsverträge verhandelt werden.»
Er verstehe nicht, so Hess, warum die hoch subventionierte Reitschule sich nicht an den Baukosten beteiligen müsse. Was private Gastwirte und Kulturveranstalter selber bezahlen müssten, schenkten den Reitschüler die Steuerzahler. «Das», sagt Hess, «geht nicht.»
Anderer Meinung sind alle anderen im Stadtrat vertretenen Parteien. Das gesamte linke Spektrum zuzüglich der FDP und der Grünliberalen hat sich zu einem Befürworterkomitee zusammengeschlossen.
Man bemüht sich aufseiten der Befürworter, den Urnengang nicht als Plebiszit für oder gegen die Reitschule darzustellen, sondern als Abstimmung über einen Baukredit, bei dem es um Gebäudeerhalt und baukulturelles Erbe gehe.
«Wer ein Problem hat mit dem Reitschule-Betrieb, soll Kritik üben, wenn das nächste Mal die Leistungsverträge verhandelt werden», sagt etwa Stadtrat Thomas Berger (FDP). Das argumentative Herausoperieren der Grossen Halle aus dem Grossthema Reitschule fällt indessen auch den meisten Befürwortern schwer.
«Ich erinnere mich an die legendären Flohmis, an Opernaufführungen von Konzert Theater Bern, eine grossartige Ausstellung von Luginbühl, Tanz, Performance und vieles mehr», begründet Brigitte Hilty Haller (GFL) ihr Engagement für die Sanierung.
Die Grosse Halle ist keine Gebäudehülle, sondern hat einen spezifischen Inhalt. Da die SVP allein auf weiter Flur gegen den Kredit antritt, ist ein Nein höchst unwahrscheinlich. Käme es doch, wäre es mehr als ein Nein zu einem Baukredit für die Ex-Reithalle. Sondern auch ein Nein zu ihrem heutigen Inhalt.
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