«Was ist Vandalen noch heilig?»
Vor sechs Wochen versuchten Unbekannte, die Kirche Wahlern anzuzünden. Während die Polizei weiterhin nach Tätern sucht, muss die Tat in Schwarzenburg zuerst einmal verarbeitet werden. Ein Podiumsgespräch.
In der Nacht auf den 23.Januar haben Unbekannte an drei Stellen Feuer gelegt und versucht, die Kirche Wahlern anzuzünden. Entstanden ist ein Sachschaden von über einer Million Franken. Schmerzlich ist dabei vor allem der Verlust der über 300-jährigen Kanzel, die vollständig verbrannte (wir berichteten). Was die Täter betrifft, so tappt die Polizei weiterhin im Dunkeln. Das Interesse der Einwohner an der Tat bleibt indes ungebrochen. Das zeigt die gut besuchte Podiumsdiskussion vom Samstag mit dem Titel «Palaver: Was ist Brandstiftern und Vandalen noch heilig?». Eingeladen zur Veranstaltung im Gasthaus Bahnhof in Schwarzenburg hat der Kirchenbezirk Schwarzenburg. Jugendliche im Fokus Moderiert wurde die zweistündige Podiumsdiskussion vom Radiojournalisten Roland Jeanneret. Bereits die Auswahl der Podiumsgäste liess erahnen, in welche Richtung sich das Gespräch entwickelte. Obwohl nicht klar ist, wer die Tat begangen hat, standen die Jugendlichen und deren Erziehung vom Anfang an im Mittelpunkt der Gesprächsrunde. Dies wohl nicht zuletzt deshalb, weil es in Schwarzenburg in den letzten Jahren immer wieder zu Sachbeschädigungen gekommen ist – die meist Jugendliche begangen haben. Als Podiumsgäste wurden Roger Kislig, Jugendarbeiter aus Schwarzenburg, Urs Rohrbach, Co-Präsident des Jugendnetzwerks Forum Interaquas, sowie die Psychologin Mirjam Hubacher eingeladen. Daneben nahmen Linda Peter, Pfarrerin von Rüschegg, Sandra Zbinden, Sigristin der Rüschegger Kirche, sowie Gerhard Remund, Kirchgemeindepräsident von Wahlern, teil. Gerhard Remund hat sich als Kirchgemeindepräsident mit dem Brand und den bevorstehenden Renovationen beschäftigt. Linda Peter und Sandra Zbinden sind vom Brand indirekt betroffen: In ihrer Kirchgemeinde stellt sich nun die Frage, ob der Vorfall in Schwarzenburg zum Anlass genommen wird, die Kirche in Rüschegg über Nacht zu schliessen. Aus Langeweile? Mirjam Hubacher stellte zu Beginn der Runde fest, dass es unterschiedliche Gründe für Vandalismus gibt. So spielten je nachdem ideologische, politische oder auch psychologische Motive eine Rolle. «Wichtig ist sicherlich der Aspekt der Langeweile», weiss die Psychologin. Urs Rohrbach hingegen sieht den Grund eher in der fehlenden Möglichkeit der Menschen, ihre Gefühle im Alltag auszuleben. Dies könne zu spontanen Gefühlsausbrüchen führen. Jugendarbeiter Roger Kislig ergänzte, die meisten Jugendlichen seien engagiert und gut erzogen, nur ein kleiner Prozentsatz tanze aus der Reihe. Vandalismus sei übrigens ein Phänomen, welches grundsätzlich in allen sozialen Schichten anzutreffen sei. Mitschuldige gesucht Die Runde suchte den Grund für Vandalismus deshalb auch vor allem in der elterlichen Erziehung. Den Kindern werde «die Sorgfalt zu eigenem und fremdem Eigentum zu wenig mit auf den Weg gegeben», meinte etwa die Rüschegger Pfarrerin Linda Peter. Die Wertediskussion finde in der Erziehung heute kaum noch statt. Ein älterer Herr aus dem Publikum pflichtete ihr bei und sah die Probleme unter anderem auch im Druck der Leistungsgesellschaft. Doch damit ist nicht geklärt, wieso gerade die Kirche Wahlern zum Ziel der Zerstörungswut geworden ist. «Dankbares» Ziel Kirchen sind meist zentral gelegen. «So eignen sie sich besonders gut, um sich mit ihrer Beschädigung gegen die Gesellschaft aufzulehnen», sagte Linda Peter. Der Bezug der Bürger zur Ortskirche im Vergleich zu früher habe deutlich abgenommen. Das gelte besonders für die Jugend. Der Wertezerfall, so sind sich die Podiumsgäste einig, werde durch das Problem des erhöhten Alkoholkonsums der Jugendlichen zusätzlich verstärkt. Es brauche mehr Zivilcourage, mehr Aufmerksamkeit und vor allem mehr Zeit füreinander und vor allem für die Jugendlichen. Prävention sei grundsätzlich wichtiger als Repression. «Man sollte sich nicht nach einer kleinen Minderheit richten», sagte etwa Kirchgemeindepräsident Remund. Überwachungskameras in Kirchen seien deshalb wohl keine Option. Nach der Renovation der Kirche Wahlern werde ein Feuermelder installiert. Die Kirche war vor dem Brand auch während der Nacht geöffnet. Geht es nach den Podiumsgästen und dem Publikum, soll das auch so bleiben. Sebastian Steiner >
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