Valentins Echo
ist Familienfrau mit Hund in Hondrich, freiberufliche Theologin und Publizistin.
Nein, Sie haben nichts zu ihm gesagt. Und auch Sie haben ihr weder Pralinen, Blumen noch sonst ein Liebeszeichen mit nach Hause gebracht. Nichts von all dem Rote-Herzen-Kitsch. Aber auch kein spezieller Kuss, keine Überraschungs-SMS, nicht die geringste romantische Anwandlung. Das wäre ja gelacht, wenn Sie an einem so kommerziell ausgeschlachteten Neuerdings-Feiertag auf Knopfdruck den Verliebten mimten. Es kann sein, dass Sie durchaus mit dem Gedanken gespielt haben, ein – wenn auch kleines – Zeichen zu setzen. Aber Sie haben die mögliche Reaktion gescheut. Er wäre vielleicht erschrocken und hätte befürchtet, Sie seien sterbenskrank. Oder Ihre Partnerin hätte Sie misstrauisch hinterfragt, ob Sie etwas ausgefressen hätten. So sind Sie schlicht bereits beim Nachdenken darüber, wie Sie solch ein Liebesgeständnis anbringen könnten, ins Stocken geraten. Da lebt man doch schon eine halbe Ewigkeit zusammen und häufig ziemlich gleichgültig nebeneinander her, ganz selbstverständlich in dieser Partnerschaft eingerichtet. Die Anfänge, in denen ein Kribbeln zu spüren war mitsamt diesen ganzen Herzflattersymptomen, liegen irgendwo in grauer Vorzeit zurück. Damals, ja, da liessen Sie sich noch zu Liebesschwüren hinreissen. Damals gab es den Valentinstag noch nicht. Und Sie hätten ihn auch gar nicht gebraucht. Aber heute, finden Sie, da dürfte sich dieser Valentin ruhig etwas intensiver einmischen, seine Liebespfeile grosszügiger verschwenden. Aber Halt, keine Verwechslungen! Der verspielte Amor hat nichts mit dem heiligen Valentin zu tun. Dieser war, der Legende nach, ein Märtyrer, der im 3.Jahrhundert wortwörtlich seinen Kopf, nicht aber sein Herz verlor. Apropos. Böse Zungen behaupten schon lange, dass eine langjährige Partnerschaft einem Martyrium gleichkomme. (Bitte schmunzeln Sie bei der Lektüre nur ganz diskret, damit Ihr Gegenüber am Frühstückstisch nichts von Ihren boshaften Gedanken errät.) Sie fragen sich nun, warum Sie denn niemand früher auf diesen Gedanken gebracht hat? Unter diesem Vorzeichen sieht der Valentinstag natürlich anders aus: Valentin als Schutzpatron all jener, die sich im täglichen ehelichen Kleinkrieg aufreiben! Sie wagen einen zweiten Blick über den Tellerrand hinüber. Nicht mehr viel vom süssen Anblick, die äussere Gestalt hat die anfängliche Attraktivität eingebüsst. Und dennoch betrachten Sie gar nicht so ungern, was Sie da verstohlen mustern: Hat sie nicht all Ihren Erziehungsversuchen getrotzt und ihre schöne Eigenständigkeit bewahrt? Hat er nicht weichere Züge entwickelt und ist heute viel humorvoller als in jungen Jahren? Sind Sie nicht ein bisschen stolz auf ihn? Strahlt sie nicht etwas von abgeklärter Lebensweisheit aus? In diesem Moment macht sich in Ihnen etwas von Reife und Akzeptanz breit. Genau betrachtet sind Sie beide doch ein tolles Paar! So viel Schwieriges haben Sie schon zusammen gemeistert, und es ist trotzdem immer weitergegangen. Manchmal haben Konflikte sogar Neues ermöglicht und war es hinterher schöner als zuvor. Und man ist sich nach so vielen Jahren nicht nur Mann und Frau, man ist sich auch Freund und Freundin. Wer kennt einen denn schon so realistisch von allen Seiten und hält einen tagtäglich aus! Und da steigt doch tatsächlich etwas wie Rührung in Ihnen auf, ein zartes Eingeständnis von Liebe, eine leise, kostbare Vertrautheit – nebst aller pragmatischen Alltagsbewältigung als Paar, die weiterhin den meisten Platz beansprucht. Das wäre fast ein Grund, ihm oder ihr doch noch ein Etwas mit roten Herzen zu beschaffen. Was meinst du, Märtyrer Valentin, soll ich? Nein? Ich verstehe, Du hast Bedenken, dass ein derartig verspätetes Angebot, und überdies noch eines zum halben Preis, ihm/ihr trotz Lebensweisheit und reifer Konfliktfähigkeit in den falschen Hals geraten könnte. Du findest, ich solle mich nicht absichtlich ins Martyrium stürzen. Gut, in dieser Sache vertraue ich Dir. Du hast hier Erfahrung! E-Mail: marianne.vogel@spiez.ch redaktion-bo@bom.ch>
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