Töffunfall nochmals vor Gericht
Im März 2009 wurde in Thun ein Töfffahrer freigesprochen. Er trage keine Schuld am Sturz des Un-fallopfers. Das Obergericht hat nun das Urteil aufgehoben – die Abklärungen zum Unfall seien mangelhaft gewesen.

Zurück auf den Unfallplatz: Liest man den Antrag des Generalprokurators und das Urteil des Obergerichtes aus Bern, so wird klar, dass das Urteil, das im März 2009 von Gerichtspräsident Raphael Lanz gefällt wurde, aufgehoben wird. Die Abklärung des Unfallherganges durch die zuständige Untersuchungsrichterin sei mangelhaft gewesen. Insbesondere wurde es von dieser unterlassen, die genaue Todesursache des Unfallopfers durch die Gerichtsmedizin abzuklären und ein umfassendes unfalldynamisches Gutachten erstellen zu lassen, das auch Spuren an den Fahrzeugen und an Helm und Kleidung der Beteiligten miteinbezieht. Kritisiert wird vom Generalprokurator auch, dass in der Überweisung ans Gericht die massgebenden Gesetzesartikel nicht zitiert werden. Es werden keine Aussagen gemacht, welche Sorgfalts- oder Strassenverkehrsregeln der Angeschuldigte verletzt haben soll.
Anfangs ein Fehlentscheid
Die Untersuchungsrichterin war auf Grund der unmittelbar nach dem Unfall erfolgten polizeilichen Ermittlungen zum Schluss gekommen, dass der tödlich verunfallte Töfffahrer einen Fahrfehler begangen habe. Sie entschied deshalb in Absprache mit dem Staatsanwalt des Berner Oberlandes, dass kein Gerichtsverfahren eröffnet werde. Dieser erste Entscheid, aus heutiger Sicht ein Fehlentscheid, den die Familie des Opfers nicht akzeptierte, löste die nachfolgenden Verfahren und Urteile aus.
Schwerer Unfall
Der Entscheid des Obergerichtes bedeutet deshalb nichts anderes, als dass ein anderer Untersu-chungsrichter nochmals ganz von vorne beginnen muss. Er muss nun den schweren Unfall abklären, der am 7. Mai 2007 passierte. Bei diesem Unfall fuhren zwei Motorradfahrer von Goldi-wil nach Thun zur Arbeit. Einer nach dem andern überholte einen ebenfalls nach Thun fahrenden Personenwagen. Beim Wiedereinbiegen auf die rechte Fahrbahn stürzte das erste Motorrad, der Fahrer wurde dabei schwer verletzt. Das zweite Motorrad stürzte ebenfalls, der Fahrer starb an seinen Verletzungen. Erneut abgeklärt werden muss nun, ob den vorausfahrenden Töfffahrer oder einen der gleichzeitig an dieser Stelle entgegenkommenden oder eingespurten Automobilisten eine Schuld am Tod des zweiten Töfffahrers trifft. Auch ein mögli-cher Fahrfehler des Opfer darf nicht einfach ausgeschlossen werden. Hat der Untersuchungsrichter seine Arbeit abgeschlossen, wird es voraussichtlich zu einer erneuten Gerichtsverhandlung kommen. Das Obergericht hat entschieden, dass diese durch den Gerichtskreis Interlaken/Oberhasli durchgeführt wird. Als Erstes wird nun ein unfalldynamisches Gutachten eingeholt. Wann diese zweite Untersuchung des Unfalls abgeschlossen sein wird, kann heute nicht gesagt werden. Es hängt auch davon ab, wie lange es dauert, bis das Gutachten vorliegt.
«Schafft Vertrauen»
«Es war nicht richtig, nur nach der Schuld des Töfffahrers zu fragen. Auch der Automobilist, der einspurte, um nach links abzubiegen oder andere könnten für den Unfall verantwortlich sein», erklärte Oberrichter Martin Räz zum Entscheid des Obergerichts. «Es war zeitlich und örtlich ein einziges Geschehen, und die Verfahrensgerechtigkeit ist nur gewährleistet, wenn nochmals alles untersucht wird. Alle Beteiligten sollen sich nochmals dazu äussern können.» Nur wenn der Unfall nun gründlich untersucht werde, habe die Justiz gemacht, was sie machen solle. Laut Räz ist das nötig, damit die Bevölkerung Vertrauen haben kann in die Justiz und ihre Urteile: «Urteile, die auf dieser Grundlage gefällt werden, werden meist auch besser akzeptiert, gerade auch von denjenigen, die mit dem Urteil nicht oder nur bedingt einverstanden sind.»
«Warum, warum?»
Der Familie des Unfallopfers, ei-nes damals gut 18-jährigen Mannes, geht es in erster Linie darum, zu wissen und zu verstehen, wie es zu diesem Unfall kam, warum der Sohn und Bruder sterben musste. Aus diesem Grund hat sie gegen das erstinstanzliche Urteil appelliert. Als zwei Monate nach dem Unfall von der Untersuchungsrichterin und dem Staatsanwalt für das Berner Oberland entschieden wurde, es werde kein Gerichtsverfahren geben, setzte sich die Familie dafür ein, dass gründli-chere Abklärungen vorzunehmen seien. Schon damals gab ihnen die Anklagekammer des Obergerichtes Recht und forderte die Untersuchungsrichterin auf, eine vertiefte Abklärung der Unfallursache vorzunehmen. An der Gerichtsverhandlung in Thun, an der Zeugen und Sachverständige aussagten, stellte die Familie als Privatklägerin mehrere Beweisanträge, die in die gleiche Richtung gingen. Diese Anträge wurden von Gerichtspräsident Lanz alle abgelehnt. Das Obergericht hat auch diesen Entscheid mit der Aufhebung des Urteils rückgängig gemacht.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch