Schwere Überschwemmungen legen den Strassen- und Schienenverkehr lahm
Teilen des Berner Oberlandes Flüsse und Bäche über die Ufer getreten. Es kam im ganzen Gebiet zu Sperrungen auf
Regen- und Schneefälle am Wochenende sowie gestern setzten die Feuerwehren im Oberland in Alarmzustand. Betroffen vom Unwetter waren vor allem – aber nicht nur – die Gebiete Wilderswil, Zweilütschinen, Gündlischwand, Lauterbrunnen, Kandergrund, Frutigen, St.Stephan, Zweisimmen und Guttannen (siehe auch Kasten links). Strassen- und Gesperrt wurden die Zufahrtsstrassen nach Grindelwald und Lauterbrunnen. Die Kantonsstrasse Zweilütschinen–Grindelwald wurde im Bereich der Brücke über die Schwarze Lütschine in Zweilütschinen überflutet, auf der Kantonsstrasse Zweilütschinen–Stechelberg hat sich im Gebiet Loch ein See gebildet. «Die Strasse nach Grindelwald war ab 16 Uhr wieder offen, die Strasse nach Lauterbrunnen bleibt gesperrt», schrieb die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion. Schienenverkehr gesperrt «Zwischen Zweilütschinen und Lauterbrunnen wurden sowohl das Bahngeleise als auch die Strasse teilweise überschwemmt. Vorübergehend wurde der ganze Betrieb der Berner-Oberland-Bahn eingestellt. In der Zwischenzeit ist der Pegel der Lütschine gesunken und die Züge können zwischen Interlaken-Ost und Grindelwald wieder verkehren», sagte Simon Bickel, Mediensprecher der Berner-Oberland-Bahn. Der Bahnbetrieb zwischen Zweilütschinen und Lauterbrunnen bleibe noch rund zehn Tage eingestellt. «Auf dieser Strecke werden Ersatzbusse eingesetzt, sobald die Strasse wieder befahrbar sein wird», sagt Bickel. Vom Hochwasser wurde auch die Stromversorgung der Schynige-Platte-Bahn getroffen, die zur Berner-Oberland-Bahnen AG gehört. Deshalb wird die Schynige-Platte-Bahn bis auf Weiteres nicht verkehren. «Verletzt wurde durch das Hochwasser niemand», sagt Simon Bickel. Das Ausmass der Schäden könne zurzeit nicht abgeschätzt werden. Keine Züge nach Brienz Unterbrochen waren gestern auch die Strecken der Zentralbahn zwischen Meiringen und Brienz sowie Dallenwil und Engelberg. «Aufgrund starker Überschwemmungen wurde das Trassee zwischen Meiringen und Brienzwiler vom Wasser unterspült und ist auf einer Länge von zirka 600 Metern überschwemmt», teilte die Zentralbahn AG in einer Mitteilung mit. Da auch die Hauptstrasse infolge Überschwemmungen gesperrt sei, verkehre der Bahnersatzbus von der Haltestelle Brünig-Hasliberg nach Brienz. Dies habe zur Folge, dass die Anschlüsse in Brienz Richtung Interlaken-Ost nicht garantiert werden können. «Reisenden von Luzern nach Interlaken wird empfohlen, über Bern zu reisen», schreibt die Zentralbahn weiter. Über die Dauer der Unterbrüche sowie über die Höhe der Schadenssumme konnte die Zentralbahn AG gestern noch keine Angaben machen. Kandertal: 100 Evakuierte In Kandersteg hat sich die Hochwassersituation beruhigt. Nicht so aber unterhalb des Dorfes. Die Kander hat trotz der Wetterberuhigung im Bereich unter dem Bühl ihr Bett verlassen und fliesst mittlerweile durch den Lawinenschutztunnel Mitholz. Dieser könnte gemäss der «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens einsturzgefährdet sein. Die Situation hat einerseits zur Folge, dass Kandersteg weder auf der Strasse noch per Bahn erreichbar ist. Die Gleise wurden auch überflutet. Andererseits wird laut Regierungsstatthalter Christian Rubin die Bevölkerung der Region Blausee/Mitholz per Helikopter evakuiert. «Es handelt sich um rund 100 Personen, die nach Frutigen ausgeflogen werden müssen», erklärt Rubin. Das Gasterntal ist verwüstet, eine Person musste hier ausgeflogen werden, weitere Personen seien an einem sicheren Ort, vermeldet Fritz Jost, Stabschef des Kandersteger Gemeindeführungsorgans. Gemäss Regierungsstatthalter Rubin ist das Gasterntal aber vom Hochwasser stark verwüstet worden, zwei Drittel der dortigen Infrastruktur seien kaputt. In den Seitenbächen befinde sich zudem viel Holz. Fritz Jost sprach von einem sehr hohen Wasserstand in Kandersteg. «Wir haben den Überlaufkorridor genutzt und die bereitgestellten Wasserschutz-holzwände bei den Bahnunterführungen aufgebaut. Die Tunneldurchgänge wurden für jeden Verkehr gesperrt.» So sei es nur zu vereinzelten überschwemmten Kellern gekommen. Militärische Hilfe ist gefragt Für heute Dienstag hat das Verwaltungsführungsorgan Frutigen-Niedersimmental militärische Hilfe angefordert. «In erster Priorität wird es darum gehen, die Verkehrsachse Frutigen– Kandersteg wieder zu öffnen. Die Verbindung ins Wallis wird für einige Tage unterbrochen bleiben. In zweiter Priorität muss die Kander wieder in ihr Bett zurückgeführt werden», erklärt Regierungsstatthalter Rubin. Da bei der Kanderbrücke eine Hauptleitung der Frutiger Wasserversorgung unterbrochen wurde, ist die Ortschaft nur noch knapp mit Trinkwasser versorgt. Die Bevölkerung Frutigens wurde deshalb aufgefordert, mit dem Wasser sparsam umzugehen. Die Feuerwehr Frutigen hat eine telefonische Notnummer für Fragen Betroffener eingerichtet. Sie lautet 033 6711210. Die Notnummer der Gemeinde Kandergrund lautet 033 6721310. Die Feuerwehren der ganzen Region waren in der Zwischenzeit im Grosseinsatz. Sie bemühten sich, grössere Schäden abzuwenden. Die Engstlige hat keine grösseren Schäden angerichtet. Doch auch hier lag der Hochwasserpegel nahe an der Schadensgrenze. Innerhalb einer halben Stunde erreichte der Pegelstand der Kander bei der Messstation im Heustrich den Stand des Hochwassers 2005. Der Fluss blieb dort aber innerhalb seines Bettes, allerdings wurde viel Schwemmholz in den Thunersee getragen. In Kandergrund führten Überschwemmungen im Bereich Reckental zur Sperrung der Staatsstrasse. Der Kandergrunder Feuerwehrkommandant Roman Abgottspon sprach von verschiedenen überschwemmten Kellnern. Der Zivischutz wurde aufgeboten, um die Strasse Richtung Kandersteg abzusperren. Adelboden: Der Feuerwehrvizekommandant Thomas Inniger vermeldete, dass die Engstlige in der Region Unterbirg über die Ufer getreten sei, ohne allerdings viel Unheil anzurichten. Mitte Nachmittag wusste er von keinen grösseren Schäden auf dem Gemeindegebiet. «Kleinere Gräben führen aber erst jetzt, also mit einer gewissen Verzögerung, Hochwasser», gab er um 15.30 Uhr zu bedenken. Reichenbach: Laut Feuerwehrkommandant Hansjürg Hari waren auf dem Gemeindegebiet keine Schäden zu vermelden. «Die Reudlenbrücke haben wir allerdings wegen der hochgehenden Kander aus Sicherheitsgründen gesperrt.» Andere Gewässer bereiteten ihm keine Sorgen, der Geschiebesammler in Kien und andere seien aber randvoll und müssten baldmöglichst geleert werden. Mit rund 40 Mann im Einsatz war Feuerwehrkommandant Thomas Zurschmieden aus Wilderswil. «Wir haben Ufer gesichert und waren für die Strassensperrung verantwortlich. Vor allem im Bereich Zweilütschinen war die Situation zeitweise heikel.» Gestern Nachmittag rechnete Zurschmieden damit, bis in die Abendstunden mit seinem Team im Einsatz zu bleiben. Vorkehrungen im Sandweidli «Der Löschzug Gündlischwand sowie sämtliche Feuerwehren der umliegenden Gemeinden waren oder sind immer noch im Einsatz», sagte Christof Berner, Gemeindeverwalter von Gündlischwand, gestern am späten Abend. Die Strecke Wilderswil– Zweilütschinen habe für den Verkehr erst um 18 Uhr wieder freigegeben werden können. Der Löschzug habe vor allem im Bereich Zweilütschinen bei der Weissen Lütschine Vorkehrungen getroffen. Trotz der Errichtung von mobilen Wassersperren sei die weisse Lütschine vor dem Mittag über die Ufer getreten und habe auf dem Gemeindegebiet teilweise Schäden an den Uferverbauungen angerichtet. «Personen- oder Gebäudeschäden sind zum Glück keine zu vermelden», sagte Berner. Die Schwarze Lütschine habe zwar eine erhebliche Wassermenge transportiert, jedoch sei das Wasser nicht über die Ufer getreten. Lauterbrunnen: «Wie gross die Schäden sind, auch an Häusern in Lauterbrunnen, wird sich erst zeigen, wenn das Wasser abgeflossen ist», sagt Christian Abbühl vom Gemeindeführungsorgan (GFO) Lauterbrunnen. Wenn das Wasser sinke, würden die Aufräumarbeiten sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Vor Ort war die Feuerwehr bereits ab 5.30 Uhr in der Früh mit circa 50 Personen. «Ich glaube, dass die Häuser nicht direkt grossen Schaden genommen haben», sagt Markus Eggler, Feuerwehrkommandant von Lauterbrunnen. In Mitleidenschaft gezogen sei aber sicher das überschwemmte Land, doch um Genaueres zu sagen, auch über den Zustand der Häuser, müsse man warten, bis der Pegel gesunken sei. «Wir haben gestern Dammsicherungen vorgenommen, auch für die Schilt-hornbahn», sagt Eggler. Man habe Sandsäcke aufgestellt, doch zum Teil sei das Wasser so schnell gekommen, dass diese Massnahme zu spät war. Auch die eine oder andere Brücke sei in Mitleidenschaft gezogen worden, so zum Beispiel die Trachslauenenbrücke, die zurzeit nicht begehbar sei, da es auf der einen Seite der Brücke einen Teil des Bords weggeschwemmt habe. Grindelwald: Bachufer sichern «Wir haben die Situation im Griff und können Entwarnung geben», sagte Thomas Wolf, Feuerwehrkommandant von Grindelwald gestern Nachmittag. Das Wasser sei stabil, wenn nicht sogar rückläufig. Wolf war den ganzen Tag mit 17 Mann unterwegs. Sie sicherten die Ufer des Hor-, des Bärgel- und des Hällerbachs mit Sandsäcken und verschiedenem Schalungsmaterial. Bis am Abend waren sie noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Zweisimmen–Lenk gesperrt Zwischen Zweisimmen und St.Stephan war die Bahnverbindung tagsüber unterbrochen. Der Grund waren die unterspülten Geleise, da die Simme an diversen Stellen über das Ufer getreten war. Lenk: Keine Schadensmeldungen gab es in der Gemeinde Lenk: «Die Simme ist bei uns nicht übergelaufen», sagt Alfred Feuz, Feuerwehrkommandant von Lenk. Die Situation habe sich am Morgen zwar zugespitzt, dann jedoch wieder beruhigt. Ähnlich klingt es in Zweisimmen: «Wir mussten die Lischernbrücke beim Flugplatz und einige Wanderwege vorsorglich sperren», sagt Peter Allemann, Feuerwehrkommandant von Zweisimmen. St.Stephan: «Wir hatten Glück im Unglück, denn es hat zum richtigen Zeitpunkt aufgehört zu regnen», sagt Beat Zahler, Gemeindeschreiber von St.Stephan. Dies bestätigt Christoph Rösti, dortiger Feuerwehrkommandant. Im Bereich Zündel, Matten, habe man aus einer Scheune Wasser pumpen müssen, grössere Schäden seien ihm indes nicht bekannt. «Wir haben mit 10 Mann die kritischen Stellen im Bereich der Simme beobachtet», sagt Rösti. Nicht aktiv sichern müssen habe man indes das Ufer, dieses sei stabil geblieben. Peter RothacherSarah McGrath-Fogal>
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