Wenn der Unterricht ins Visier gerät
An der Schule ist Kritik an einer Lehrkraft laut geworden. Es ging gar eine aufsichtsrechtliche Anzeige ein. Recherchen zeigen: Lehrerinnen und Lehrer geraten heute schneller unter Beschuss.

«Die Kinder haben Angst.» Diese Aussage sitzt und zeigt: An der Schule Herzogenbuchsee ist die Aufregung bei einigen Eltern gross. Vier haben sich bei dieser Zeitung gemeldet. Ihre Kritik richtet sich in erster Linie gegen eine Lehrkraft. Die Kinder würden sich fürchten, bei dieser etwas nachzufragen, seien eingeschüchtert, sind sich die Eltern einig. Darunter würden die schulischen Leistungen leiden. «Die Lehrperson kommt mit Kindern, die mehr Unterstützung brauchen, nicht klar», meint eine Mutter. Und ein Vater erzählt: «Bei unserem Kind ging es so weit, dass es in eine Depression verfallen ist.» Ein anderer Vater berichtet von Bauchschmerzen bei seinem Kind.
Die Eltern kritisieren aber auch das Vorgehen der Schulleitung. Diese würde versuchen das Problem zu bagatellisieren und abzuschieben. So erzählt eine Mutter, dass drei Kinder in eine andere Klasse umgeteilt worden seien. Damit sei die Situation aber nicht gelöst. «Wenn man die Schulleitung darauf anspricht, wird man zum ‹Stürmi› erklärt», sagt ein Vater. Er glaubt, dass noch weitere Eltern unzufrieden sind, sich aber aus Angst nicht getrauen, etwas zu sagen. Auch bei der Bildungskommission seien ihre Anliegen nicht ernst genommen worden.
«Ein guter Unterricht»
Dieser Fall ging letztlich so weit, dass sich voriges Jahr drei Elternpaare telefonisch beim Schulinspektorat Emmental-Oberaargau meldeten und ein Paar gar eine aufsichtsrechtliche Anzeige einreichte.
«Bei unserem Kind ging es so weit, dass es in eine Depression verfallen ist.»
Die Bildungskommission Herzogenbuchsee hat daraufhin überprüft, ob der Berufsauftrag der Lehrperson erfüllt wird und die Zusammenarbeit zwischen der Standortleitung und den Eltern funktioniert. Das geht aus einem Schreiben der Gemeinde an die Eltern vom 26. Januar hervor, das dieser Zeitung vorliegt.
Hierfür wurde auch ein externer Berater beigezogen. Dieser attestiere der Lehrperson, heisst es, «einen guten Unterricht» und eine «zweckmässige Unterrichtsorganisation». Es ist aber auch zu lesen, dass «Massnahmen zur Optimierung» ergriffen wurden und die Lehrperson freiwillig die Begleitung durch einen Berater in Anspruch nimmt.
Eine Antwort darauf, um welche Massnahmen es sich dabei handelt, gibt es vonseiten der Gemeinde nicht. Auch sonst hält sich diese in ihrer Stellungnahme zurück. Sie teilt aber mit, dass keine konkreten Massnahmen gegen die Schulleitung oder Lehrpersonen erforderlich seien. «Die gewonnenen Erkenntnisse fliessen jedoch in den laufenden Schulentwicklungsprozess ein», heisst es weiter. Und es wird betont, dass der vorliegende Fall einen Einzelfall darstelle. «In den vergangenen zehn Jahren waren keine aufsichtsrechtlichen Anzeigen gegen Lehrpersonen oder die Schulleitung zu verzeichnen.» Die erforderlichen Abklärungen seien vorgenommen und das Verfahren in der Zwischenzeit abgeschlossen worden.
Anzeigen sind selten
Nicht abgeschlossen ist das Problem damit aber aus Sicht der Eltern. Sie erwägen nun, sich an die nächsthöhere Instanz zu wenden: die Schulaufsicht. Zur Erklärung: Anzeigen gegen Lehrpersonen, Schulleitungen oder Schulkommissionen werden innerhalb der Gemeinde behandelt. Erst wenn eine aufsichtsrechtliche Anzeige gegen das oberste Gemeindeorgan eingereicht wird, ist für deren Überprüfung das Schulinspektorat zuständig.
«Die Gesellschaft ist nervöser geworden.»
Solche Anzeigen beim Schulinspektorat seien sehr selten, ordnet Erwin Sommer, Vorsteher des kantonalen Volksschulamtes, den Fall aus Buchsi ein. Eine kantonsweite Statistik werde zwar nicht geführt. «Es sind aber wohl weniger als zehn Anzeigen pro Jahr.» Eine solche könne im Extremfall dazu führen, dass eine Behörde durch die Erziehungsdirektion ausser Kraft gesetzt werden müsse. Diesen Fall habe er aber in zehn Jahren bei der Schulaufsicht selbst noch nie erlebt, sagt Sommer.
Öfter mit dem Anwalt
Genaue Zahlen gibt es hingegen, was die offiziellen Verwaltungsbeschwerden betrifft, die bei der Schulaufsicht eingehen. Im vergangenen Jahr waren es im Kanton Bern insgesamt deren 139. Bei solchen Beschwerden gehe es den Eltern im Wesentlichen um Schullaufbahnentscheidungen, Schülerbeurteilungen oder die Zuteilung von Schulorten, sagt Sommer.
Zu einer Häufung von Beschwerden sei es in den letzten Monaten aber nicht gekommen, sagt der Amtsvorsteher. Im Gegenteil: Die Zahl der Beschwerden ist im vergangenen Jahr sogar leicht zurückgegangen. So waren es im Jahr 2016 noch 153. Auffällig auch: Von den 139 Beschwerden konnten im letzten Jahr 81 ohne einen Entscheid durch die Erziehungsdirektion geklärt werden. «Dies stimmt mich optimistisch und zeigt, dass die Schulleiter und die Inspektoren eine professionelle Arbeit leisten», sagt Erwin Sommer. Indem sie zwischen Schule und Eltern vermitteln würden, könnten viele Probleme bereits früh geklärt werden. «Man versucht, alle an einen Tisch zu holen.» Immer mehr Schulinspektoren hätten deshalb eine Mediationsausbildung absolviert.
Denn auch er habe festgestellt, sagt Sommer, dass die Eltern heute schneller einmal Kritik an den Lehrpersonen äussern würden als früher. «Die Gesellschaft ist nervöser geworden.» Dazu passt auch seine Beobachtung aus den letzten Jahren, dass die Eltern bei Beschwerden öfter als früher einen Anwalt einschalten.
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