Veruntreuung? Finanzjongleur steht erneut vor Gericht
Ein 64-jähriger Schweizer muss sich erneut vor der Justiz verantworten: Das bernische Wirtschaftsstrafgericht prüft seit Dienstag, ob er mehr als drei Millionen Franken veruntreut hat.

Seit Jahrzehnten kämpft er für einen radikalen Umbau des Finanzsystems, jetzt muss sich ein 64-jähriger Schweizer erneut vor der Justiz verantworten: Das bernische Wirtschaftsstrafgericht prüft seit Dienstag, ob er mehr als drei Millionen Franken veruntreut hat.
Vor Gericht stehen noch drei weitere Männer und eine Frau, die zum Team des Hauptangeklagten gehört haben sollen. Auch ihnen wird mehrfache qualifizierte Veruntreuung vorgeworfen. Vier Verhandlungstage wurden anberaumt, das Urteil soll am 6. Februar verkündet werden.
Der Hauptangeklagte verteidigte zum Prozessauftakt wortreich seine Erfindung der «freien HuMan-Wirtschaft». Im Kern geht es ihm darum, das aus seiner Sicht schädliche Kredit- und Zinssystem abzulösen – mit Hilfe eines bargeldlosen Zahlungssystems, für das der Mann auch eine spezielle E-Banking-Software entwickeln liess.
Der Beschuldigte gründete verschiedene Genossenschaften und schaffte es zusammen mit einigen gut vernetzten Mitstreitern, Dutzende Leute von seiner Idee zu überzeugen. Mehr als drei Millionen Franken kamen zusammen. Die Leute gingen offenbar von einer sicheren Anlage aus.
Doch ihr Geld wurde laut Anklage nicht für den vertraglich vereinbarten Zweck des Eigenkapitalnachweises verwendet. Vielmehr soll es – zum Zweck der Vermehrung – in allerlei Beteiligungen und andere Geschäfte geflossen sein. Laut Anklage sind gut 2,7 Millionen Franken definitiv verloren.
Der Hauptangeklagte betonte, er habe sich nicht bereichern wollen. Ihm gehe es um «Wohlstand für alle», das sei ja das Ziel des von ihm erfundenen Wirtschaftssystems. Die Staatsanwaltschaft wirft den fünf Beschuldigten allerdings vor, sich persönlich bereichert zu haben. Sie sollen sich Provisionen in der Gesamthöhe eines sechsstelligen Betrags zugesprochen haben.
Ärger mit der Justiz
Eine Internet-Recherche hätte den einen oder anderen Gutgläubigen vor dem Schaden bewahren können: Der Hauptangeklagte hatte schon öfter Ärger mit der Justiz. Wegen Vermögensdelikten wurde er schon früher verurteilt und sass einmal im Gefängnis.
Die Eidgenössische Bankenkommission stoppte bereits 1999 eine seiner Genossenschaften wegen unerlaubter Banktätigkeit. Im nun laufenden Prozess geht es hauptsächlich um Einlagen aus dem Jahr 2005 in eine Nachfolgegenossenschaft, deren Liquidation 2006 vom Bundesgericht als rechtens bezeichnet wurde, weil sie gewerbsmässig Publikumseinlagen entgegengenommen habe.
Was in den Folgejahren alles geschah, als der Mann in Österreich lebte, warum genau er auch dort mit dem Gesetz in Konflikt geriet - all das war für Prozessbeobachter am Dienstag nicht einfach nachzuvollziehen. Die Komplexität des Falls erklärt auch die lange Zeitspanne zwischen mutmasslichen Delikten und Prozessauftakt.
Finanziell abgebrannt
Klar ist, dass der 64-Jährige inzwischen wieder im Kanton Bern lebt und nach wie vor sein grosses Ziel einer «freien HuMan-Wirtschaft» verfolgt. Offensichtlich ist auch, dass er knapp vier Monate vor seiner Pensionierung finanziell abgebrannt ist. 2016 habe er seine letzte Firma in Österreich liquidiert und sei aus gesundheitlichen Gründen zurück in die Schweiz gekommen, berichtete er. Inzwischen lebe er von der Sozialhilfe. Die AHV werde nicht reichen, eine zweite Säule habe er nicht aufgebaut - er werde Ergänzungsleistungen beantragen müssen.
Die Rolle der vier Mitangeklagten muss das Gericht noch genauer ausleuchten. Die Plädoyers folgen nächste Woche.
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