Berner Katholiken wenden sich ab
Zwar ist im Kanton Bern kein Fall von sexuellem Missbrauch in Kirchenkreisen bekannt. Dennoch reagieren die Gläubigen auf die Berichte aus anderen Kantonen. Die katholische Kirche in Bern geht von zahlreichen Austritten aus.
Die römisch-katholische Kirche der Schweiz rechnet mit einer wahren Austrittswelle. Viele Gläubige hätten nach den bekannt gewordenen Fällen von sexuellem Missbrauch von Kindern durch katholische Kirchenvertreter genug, hört man allenthalben. Gerade gestern wurden aus Baden AG neue Vorwürfe publik. Konkrete Zahlen über Austritte liegen indes noch keine vor. Die Schreiben werden in einem ersten Schritt in den Kirchenverwaltungen geprüft und erst nach einigen Tagen oder Wochen bekannt.
Wahrheit in drei Wochen
So ist natürlich noch unklar, wie stark die katholische Kirche des Kantons Bern von Austritten betroffen ist. Ludwig Spirig-Huber, Leiter der Kommunikationsstelle der römisch-katholischen Gesamtkirchgemeinde der Stadt Bern und des Dekanates der Region Bern, sagt aber: «Wir müssen davon ausgehen, dass die Zahl der Austritte in den kommenden Tagen steigt.» Näheres wisse man in etwa drei Wochen. Er persönlich hat schon Austrittsschreiben gesehen, die als Grund die sexuellen Übergriffe durch Priester benennen.
Karin Brunner, Kommunikationschefin der katholischen Kirche des Kantons Bern, hat den Überblick über den gesamten Kanton Bern und meint: «Wir beobachten vor allem die Austritte in den grösseren Kirchgemeinden wie Bern und Umgebung, Biel und Umgebung sowie Langenthal. Noch ist es zu früh für eine klare Beurteilung.»
«Frustrierend»
Das Personal in den Kirchgemeinden ist ob der Vorfälle betrübt. «Es ist frustrierend», sagt Ludwig Spirig-Huber. Die Kirche leiste für die Gesellschaft so viel Gutes und engagiere sich vielseitig. «Die Zwischenfälle ausserhalb Berns werfen nun ein schlechtes Licht auf alle katholischen Kirchgemeinden. Wir finden das fürchterlich», hält Spirig fest. Jeder Austritt tue weh, betont er: «Es verabschieden sich vor allem auch kritische Leute. Ich wünschte, sie würden weiter mitreden und helfen, dass solche Übergriffe nicht mehr vorkommen.»
Trotz Imageproblemen: Gegensteuer will die katholische Kirche im Kanton Bern derzeit nicht geben. Spezielle Kommunikationsmassnahmen oder Erklärungen, um die Gläubigen von Austritten abzuhalten, sind nicht geplant. Die katholische Kirche Region Bern verweist aber auf die Broschüre «Sexuelle Ausbeutung in der Seelsorge», die sie vor rund 10 Jahren mit unabhängigen Fachleuten wie einer Juristin sowie der Opferhilfe erarbeitet und veröffentlicht hat. Damals seien auch entsprechende Strukturen mit einer unabhängigen Ansprechperson geschaffen worden, was damals eine Pionierarbeit gewesen sei, betont die Kirche. Die Berner Idee wurde später unter anderem auch vom Bistum Basel übernommen, dem die katholischen Kirchgemeinden der zehn Kantone Aargau, Bern, Baselland, Basel-Stadt, Jura, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau und Zug angehören.
Reformierte schauen hin
Auch die zahlenmässig deutlich grössere evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Bern ist von den Schlagzeilen rund um den sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Kirchenleute betroffen. Thomas Gehrig, Kommunikationsleiter der reformierten Kirche des Kantons Bern, sagt: «Dies ist auch bei uns ein Thema. Wir können nicht sagen, dass wir besser sind. Wir wissen nicht, in welchem Umfang solche Fälle auch bei uns vorgekommen sind oder vorkommen.» Die reformierte Kirche habe vielleicht das Privileg, weniger hierarchisch aufgebaut zu sein als die katholische. Problemfälle könnten darum direkt den zuständigen Fachstellen zugewiesen werden. «Aber», betont Gehrig, «wir werden jetzt ein besonderes Auge auf die Thematik haben – ähnlich wie das Sportvereine oder Pfadfinder ja seit längerem schon tun.»
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