Fanatisch – und frei
internetDie Adressbuchfirmen müssen sich harsche Kritik gefallen lassen: Mit diesem Argument spricht der Richter in Langnau einen deutschen Feriengast vom Vorwurf der üblen Nachrede frei.
«Uns scheint es wichtig zu sein, dass nach den deutschen Gerichten auch ein Schweizer Gericht sagt: ‹So geht es nicht›.» Für den Anwalt der Privatkläger steht es fest: Der Angeschuldigte hat sich der üblen Nachrede schuldig gemacht, ja seine Klienten mehrfach verleumdet. Das Hin und Her um ein Geflecht von Internetseiten, das Betrügereien mit Adressverzeichnissen brandmarkt, geht im Langnauer Gerichtssaal in eine neue Runde. Erneut stehen sich der Feriengast aus Deutschland, der in den letzten Jahren immer wieder Schlagzeilen gemacht hat, als Angeklagter und der Unternehmer mit drei seiner Firmen als Privatkläger gegenüber. Richter Samuel Schmid wird nun urteilen, ob der Angeklagte für die strittigen Seiten verantwortlich ist. Und ob dort die Privatkläger zu Recht oder zu Unrecht mit Schlagwörtern wie «Abzocke» für das Geschäftsgebaren und «Mafia» für die Leute dahinter angeschwärzt werden. Ahnungslosen Kunden, so lautet die Kritik, würden Einträge ins World Wide Web schmackhaft gemacht, die auf den ersten Blick zwar gratis, auf den zweiten aber sehr kostspielig seien. Hinter diesen Anwürfen, fährt der Anwalt fort, stecke klar der Angeklagte. Obwohl er «mit allen Tricks, die das Internet bietet», zu verschleiern versuchte, führten alle Spuren zu ihm. Das hätten – eben – auch die Gerichte in Deutschland so festgestellt. Natürlich kommt die Rede wieder auf die drei rätselhaften Personen, die in dieser Sache schon bisher eine Rolle gespielt haben. Auf die Frau aus dem Hotel in New York, auf den Mann mit dem Doktortitel und auf die Kollegin mit dem Emmentaler Namen, die allesamt für die Behörden nicht auffindbar sind – und die deshalb, davon zeigt sich der Anwalt überzeugt, «nicht mehr als Phantome sind». Auch wenn sie für die strittigen Seiten verantwortlich gewesen sein sollen: Letztlich, so sagt er, stecke hinter ihnen der Angeklagte selber. Oder einer seiner Helfer. Der Entscheid aus Solothurn Wie anders argumentiert da der Verteidiger. Er selber habe erst in den letzten Tagen der Frau mit dem Emmentaler Namen eine E-Mail geschrieben und Antwort erhalten. Sowieso würden die Inhalte der Seiten regelmässig auf den neusten Stand gebracht, wo doch der Angeklagte seit Monaten in Auslieferungshaft sitze und keinen Internetzugang habe – wieso es dazu gekommen ist, mag der Betroffene nicht ausdeutschen. Er habe einfach nichts mit den Internetaktivitäten zu tun, sagt er nur. Der Verteidiger weist weiter auf einen Entscheid des Solothurner Obergerichts hin. Es hat sich im Umfeld des Verfahrens schon einmal inhaltlich zu den Vorwürfen gegen die Privatkläger geäussert und festgehalten: Die Formulare, über die sich die Kunden in die Adressverzeichnisse eintragen lassen können, sind «irreführend, indem sie nicht klar darstellen, welche Leistungen kostenpflichtig sind». Einst der Nacktläufer In die gleiche Kerbe schlägt Richter Schmid, als er Stunden später den Angeklagten freispricht. Er redet von einem Formular, das die Kunden darüber im Unklaren lasse, was gratis und was zu zahlen sei. Nur zu rasch binde man sich für zwei Jahre und zahle umgerechnet gegen 1000 Franken – angeischts dieser Trickserei sei Kritik berechtigt. Sogar mit dem Begriff «Betrug», obwohl es hart an der Grenze des gerade noch straffrei Möglichen liege. Bei einer solchen Argumentation spielt es keine Rolle mehr, dass Schmid den Angeklagten klar als Urheber der Internetaktivitäten bezeichnet. «Sie waren immer zentral dabei», sagt er, zudem passe «der Fanatismus, mit dem Sie sich dem Kampf gegen die Adressbetrügerei verschrieben haben», ins Bild. Womit er bei den Schlagzeilen angelangt ist: «Sie haben einst mit dem gleichen festen Willen und der gleichen Energie für die Nacktläuferei gekämpft.»Stephan Künzi >
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