Wenn die Post Maulkörbe verteilt
Vor rund einem Jahr schloss die Poststelle in Wynigen. Heute stimmt das Angebot dank Agenturlösung wieder. Doch die Umgangsformen der Post stossen dem Gemeinderat noch heute sauer auf. Lange durfte er der Bevölkerung nichts sagen.

Gemeindepräsident Fabian Horisberger ist hin und her gerissen. Er steht hinter der Gemeindeverwaltung, bei den leeren Paketwagen. Hinter jenem Haus, wo einst die Poststelle drin war und das heute noch als regionales Verteilzentrum fungiert. Horisberger sagt: «Wir haben heute eine gute Lösung, trotzdem ist es bitter für uns – es ist bitter.» Vor einem Jahr hat die Gemeinde ihre Poststelle verloren.
Wynigen ist ein Dorf mit nahezu perfektem Kern. Rund um den Bahnhof gibt es eine Beiz, eine Metzgerei, eine Bäckerei, eine Coiffure, eine Bank, ein Schuhgeschäft, eine Drogerie und den Volg. Die fehlende Poststelle ist da wie ein Riss im perfekten Ortsbild. Das kratzt auch am Stolz des Gemeindepräsidenten. Aber das ist nicht das Problem. Denn Horisberger kann die Strategie der Post sogar verstehen, auch ihm ist klar, dass sich die Bedürfnisse gewandelt haben.
Der Rat musste dichthalten
Was er und seine Ratskollegen aber nicht verstehen, sind die Methoden. Die stossen ihnen sauer auf. So sehr, dass das jetzt rausmuss. Jetzt, da der Spuk vorbei ist. Denn die Ratsmitglieder mussten die schlechte Nachricht der Poststellenschliessung nicht nur entgegennehmen, nein, sie mussten sie auch lange für sich behalten. Die Post habe die Gespräche über eine Nachfolgelösung nur unter der Bedingung geführt, dass sich die Gemeinde zum Stillschweigen gegenüber der Bevölkerung verpflichte.
«Ich finde das ein arrogantes Auftreten», sagt Horisberger. «Wir waren gezwungen, unsere Bürgerinnen und Bürger vor vollendete Tatsachen zu stellen.» Dazu kam, dass der Rat nicht nur nichts sagen durfte, sondern dass gleichzeitig die Abklärungen für mögliche Agenturlösungen in der Gemeinde liefen. «Da brodelte die Gerüchteküche», sagt er. «Und die Stimmung kippte.»
Die Post machte Druck
Fast ein Jahr lang mussten die Ratsmitglieder dichthalten. Bereits im Mai 2015 erhielt der Gemeinderat einen Brief der Post mit der Bitte um einen Termin. Im Juli 2015 traf sich ein Ausschuss des Gemeinderats mit Postvertretern und vernahm von der bevorstehenden Schliessung. Die Post bot sogleich an, gemeinsam eine neue Lösung zu finden. Mit der Bedingung, dass die Gemeindevertreter ein Stillschweigeabkommen unterzeichneten.
Zwei Monate später bat der Gemeinderat um ein weiteres Gespräch, da er mit der Schliessung nicht einverstanden war und die Bevölkerung mit einbeziehen wollte. Die Post habe dann Druck gemacht, sagt Horisberger. Die Gemeinde musste sich dazu verpflichten, weiterhin Stillschweigen zu bewahren, um über das künftige Angebot im Dorf überhaupt noch mitreden zu können.
Im März 2016 fand die Post mit Volg einen Partner (siehe Kasten). Erst jetzt durften die Gemeindevertreter auch die Bürger informieren. Zu diesem Zeitpunkt sei aber die halbe Bevölkerung bereits informiert gewesen, klagt Horisberger. «Wir standen sehr schlecht da.»
Die Post bestreitet die Vorgehensweise nicht. Ursprünglich sei in den Gesprächen mit den Gemeinden im gegenseitigen Einvernehmen Stillschweigen vereinbart worden, schreibt sie auf Anfrage. Heute aber möchte sie die örtliche Bevölkerung vermehrt frühzeitig in den Dialog einbeziehen. Wenn die Gemeinden nicht ausdrücklich Stillschweigen wünschten, informiere sie daher unmittelbar nach Gesprächsaufnahme mit den Behörden auch die Öffentlichkeit mittels Medienmitteilung.

Im Volg läufts wie geschmiert
In Wynigen hat sich der Staub inzwischen gelegt. Und mit dem Angebot ist Fabian Horisberger mehrheitlich zufrieden. Die Gemeinde hat sich auch zu helfen gewusst. Etwa hat die Spar- und Leihkasse Wynigen einen zusätzlichen EC-Automaten aufstellen lassen. Die Bank bietet wieder Blitzaufträge für Zahlungen an. Es gibt einen zusätzlichen Briefkasten im Dorf. Die Post ermöglicht es, Pakete zur Abholung deponieren zu lassen, und bald sollen Zahlungen beim Pösteler möglich sein.
Wie ein Augenschein vor Ort zeigt, läuft auch die Agentur im Volg wie geschmiert. Um 16 Uhr ist viel los. An der Kasse hat sich eine Schlange gebildet, weil eine Kundin einen eingeschriebenen Brief abholt. Hinten im Laden steht der moderne Postautomat. Eine Frau gibt gerade zwei Zalando-Pakete auf. Dann erledigt eine Kundin ihre Zahlungen.
Mindestens zwanzig Postgeschäfte würden an ruhigen Tagen abgewickelt, sagt Beatrice Ryser. Sie arbeitet seit sechs Jahren im Volg. Meistens seien es aber mehr, über fünfzig, manchmal fast hundert. «Es läuft etwas mehr, ja», sagt Ryser. «Für mich ist die Arbeit aber spannender geworden.»
Die Agentur bietet eigentlich alles, was eine Poststelle auch im Angebot hat. Mit kleinen, aber feinen Unterschieden. Das hat etwa die Wirtin des Restaurants Bahnhof feststellen müssen. So können pro Tag höchsten 500 Franken an Bargeld abgehoben werden. Garantiert sind lediglich 50 Franken. Das heisst, wenn die Volg-Kasse leer ist, kann Bargeld weder bezogen noch gewechselt werden. Und Einzahlungen sind nur mit einer Post- oder einer Maestro-Karte möglich. Zudem ist der Platz für Pakete beschränkt, was gerade für das Gewerbe problematisch ist: Massenversand, Sperrgut, bei allem, was kein Nullachtfünfzehn-Geschäft ist, muss eine Agentur oft passen.
Aber es gibt auch Vorteile. Die längeren Öffnungszeiten etwa. So ist der Volg unter der Woche bis 19 Uhr und am Samstag bis 17 Uhr geöffnet. «Letztlich stimmt das Angebot einigermassen», sagt Gemeindepräsident Fabian Horisberger. «Wie gesagt, ich kann den Strategiewechsel nachvollziehen. Nur das Verhalten der Post ist unterste Schublade.»
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