Traumjob unter freiem Himmel
Ein anderer Beruf kam für Heinz Weber nie infrage: Er wollte Pflästerer werden. In dritter Generation übt der 70-Jährige das steinharte Handwerk aus. Vor allem die Gassen der Altstädte haben es ihm angetan.
«Nein, Pflastersteine aus China habe ich noch nie gekauft», sagt Heinz Weber. Wenn er Steine setzt, dann am liebsten jene aus der Emme. So, wie es schon sein Vater und sein Grossvater gemacht haben.
Auch in diesen Tagen, da er zusammen mit dem 31-jährigen Benjamin Joss aus Bätterkinden beim ehemaligen Restaurant Freischütz an der Bernstrasse einen Vorplatz und die ehemalige Gartenterrasse pflästert, ist das nicht anders. Die beiden sind ein eingespieltes Team.
«Die Arbeit hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht verändert», erklärt der 70-jährige Weber. Zuerst trägt man die Humusschicht ab, schüttet frostsicheres Koffermaterial – ein Split-Sand-Gemisch – darauf und setzt dann je nach Wunsch des Kunden die Steine.
Beim Freischütz werden die alten Emmesteine ausgebaut, dann wird eine neue Kofferung gemacht, um darauf wieder die gleichen, alten Steine zu verwenden. Stein um Stein wird gesetzt, etwa hundert Stück pro Quadratmeter. Die beiden Handwerker sitzen auf einer Art Melkstuhl, mit der linken Hand greifen sie nach den Steinen, die mal rund, mal eckig sind, in der rechten Hand halten sie den Pflästererhammer.
Mit der flachen Seite des Hammers formen sie geschickt eine Art Bett, in welches der Stein dann gelegt wird. Dem Laien stellt sich da die Frage: Wie gelingt es Weber und Joss, in Sekundenschnelle jene Steine zu finden, die genau in die Reihe passen? «Das ist die Erfahrung», antwortet der Jüngere, und «das muss man im Auge haben», meint der Ältere.
Manchmal allerdings genügt das Augenmass nicht. Dann muss mit dem Bossierhammer, der mit Diamantkanten versehen ist, nachgeholfen werden. Die von der Natur – in diesem Fall von der Emme – geformten Steine werden dann «geschrotet».
Mörtel oder Sand
Die beiden haben es wahrlich im Griff, denn sitzt der Stein, dann bleibt er auch dort. Ab und an wird mit der Wasserwaage die Neigung kontrolliert. Doch alles ist bestens, Grund zur Korrektur gibt es nicht. Nahezu wortlos verrichten die beiden ihr Handwerk. Mithilfe einer Richtschnur gelingt es Weber und Joss, dass sich die sogenannte Flusswecken-Reihenpflästerung wieder in ihrer schönsten Art präsentiert. Übrigens: Ein routinierter Handwerker pflästert pro Tag eine Fläche von etwa 20 Quadratmetern.
In die Fugen zwischen den Natursteinen kommt Zementmörtel. «Wenn man dieses Material einfügt, erübrigt sich der Unterhalt. Und falls der Platz dann trotzdem einmal gereinigt werden soll, kann man dies mit einem Hochdruckreiniger tun», erklärt Heinz Weber. Persönlich gibt er dem Sand zum Füllen der Fugen den Vorzug. Der 31-jährige Joss tendiert eher zum pflegeleichteren Zementmörtel.
Die Altstadtgassen
Zu den Höhepunkten in Heinz Webers Berufslaufbahn gehören die gemachten Pflästerungen in den Altstadtgassen von Burgdorf und Bern. Im Kirchbühl baute Heinz Weber 1991 Pflastersteine ein, drei Jahre später war die Schmiedengasse an der Reihe. Besonders anspruchsvoll sei die Arbeit in den Jahren 1995 und 2005 in der Kramgasse in Bern gewesen, 2013 folgte noch die von Tramgleisen durchzogene Marktgasse.
Die Fugen zwischen den Steinen wurden mit Sand ausgefüllt. In Rekordzeit hätten die Arbeiten ausgeführt werden müssen, erinnert sich Heinz Weber. Verwendet wurden sogenannte Gubersteine aus Alpnach. «Schwäri Cheibe» seien dies gewesen, erinnert sich Weber. In Handarbeit fügten die Pflästerer die schnell einmal zehn Kilogramm schweren Steine gleich zu Tausenden zum sanierten Verkehrsweg durch die Stadt Bern zusammen.
Nach dem Highlight seines bisherigen Berufslebens als Pflästerer gefragt, muss Benjamin Joss nicht lange überlegen: der Ziegeleiverkehrskreisel in Steffisburg – «das het gfägt».
Billige ausländische Steine
Nicht immer würden zum Bau von Plätzen, Trottoirs, Strassen und Gassen Gubersteine verwendet, erklärt Heinz Weber. Der Grund ist der im Vergleich zu ausländischen Steinen hohe Preis von bis zu 120 Franken pro Quadratmeter. Portugal-Granit ist da mit etwa 40 Franken deutlich billiger.
Wohl noch billiger sei – trotz langem Transportweg – der Granit aus China und Vietnam, vermutet Joss. «Nicht zu denken, wie gross das Geschrei gewesen wäre, wenn man die Marktgasse in Bern mit China-Granit gepflästert hätte», sinniert der junge Handwerker, der aber mit Blick auf die Kinderarbeit in den fernöstlichen Steinbrüchen froh ist, wenn Schweizer Bauherren auf einheimische oder zumindest europäische Produkte setzen.
Auf letztere trifft man übrigens auch in Burgdorf: Beim Bau von Fussgängerinseln in der Strassenmitte werden auch Portugal-Granit und der rot-braune Porphyrstein aus Südtirol verwendet.
Der Berufsstolz
Benjamin Joss und Heinz Weber lieben ihren Beruf. Sie sind stolz, Pflästerer zu sein. «Die Leute sind immer wieder fasziniert, dass wir mit einfachen Steinen aus der Emme einen ganzen Platz pflästern und so auch mal zu einem kleinen Kunstwerk machen», erzählt Joss.
Ab und an würden Passanten stehen bleiben und zuschauen, wie sie die Steine in den Boden klopften – «manchmal holen sie sich bei uns Tipps, weil sie zu Hause einen Weg oder einen Vorplatz selbst pflästern wollen». Joss kam eher durch Zufall zu seinem Traumjob. Als er 2005 als Temporärarbeiter bei der Sanierung der Kramgasse in Bern tätig war, sei er vom Juniorchef der Baufirma gefragt worden, ob er nicht eine Lehre als Pflästerer machen wolle.
Er wollte. Drei Jahre später hatte er das Fähigkeitszeugnis in der Tasche. Neben Joss schlossen im selben Jahr nur noch drei weitere Lehrlinge als Pflästerer ab – schweizweit. «Ich habe einen Traumjob, weil ich meist unter freiem Himmel sowie selbstständig, kreativ und präzis arbeiten kann», betont Benjamin Joss.
Dies sagt er auch im Wissen, dass die Temperaturen auf den Baustellen nicht immer frühlingshaft mild wie in diesen Tagen sind. Und wenn es dann einmal Bindfäden regne, «dann stellen wir halt ein Zelt über der Pflästerung auf».
Drei Generationen Weber
Quasi in die Wiege gelegt wurde Heinz Weber das Pflästern. Sein Grossvater Fritz Weber gründete 1918 in der Waldegg in Burgdorf seinen eigenen Handwerksbetrieb. Aus seinem Kieswerk an der Emme holte er die schönen, runden, gelblichen Pflastersteine, die sogenannten Emmebollen, aus dem Fluss.
Die Spezialität des jungen Unternehmers war das Pflästern von Vorplätzen von Bauernhöfen sowie Schlossinnenhöfen. Mit runden und behauenen Emmepflastersteinen sorgte er in der Altstadt von Burgdorf zudem für repräsentative Strassen, Gassen und Plätze. 1962 übernahm der Vater von Heinz Weber die Firma, ab 1989 war er selbst an der Reihe. Und heute, mit 70 Jahren, ist er immer noch im Geschäft.
Heinz Weber, der im Winter gerne Ski fährt und im Sommer wandert und schwimmt, denkt noch nicht gerade ans Aufhören. Sein Kommentar: «Ich bin nicht der Typ, der beim Kaffee sitzt und die Zeitung liest – ich will ‹wärche›.»
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