Eintauchen in einen Rausch
Im Bierhübeli riefen Stiller Has zur Taufe des Albums «So verdorbe». Sänger
Es braucht nicht viel. Einen wuchtigen Mann mit Hut und gewaltiger Stimme. Einen zweiten, klapperdürr, mit Ohr für mitreissende, nie dominante Klänge. Einer, der die Band dirigiert. Der zweite heisst Schifer Schafer und beherrscht die Kunst, im Hintergrund zu bleiben, perfekt, immer steht der Mann mit Hut im Mittelpunkt. Sein Name ist Endo Anaconda, seine Band heisst Stiller Has, und dem neuen Album «So verdorbe» ist der Abend im Bierhübeli gewidmet. Eine schlaflose Nacht In seiner bekannt bärbeissigen Art gesteht der Mann mit Hut: «I ha fasch nid gschlafe». Nicht nur, weil er vor dem ersten Konzert der Tour nervös war. «Ig bi im Après-Ski gsi, im Dead-End». Wer das Dead-End kennt, lacht. Das Dead-End ist einer der einzigen Orte in Bern, wo Nachtmenschen wie Endo Anaconda bis zum Morgengrauen Asyl finden. Und als ob die Erinnerung daran ihm nun Mut gegeben hätte, stimmt der Mann mit Hut beim dritten Song endlich ein Stück des aktuellen Albums an. «So verdorbe» mit seinen bluesigen Gitarrenklängen reisst mit, auch der Text, ein Abgesang auf Weihnachten, von einem, der den Samichlaus erschiesst, weil dieser Weihnachtsliedli singt, hat bereits Anhänger gefunden. Endo Anaconda schwitzt jetzt, trocknet sich den Schweiss ab, sagt dann wieder was, «I bi dr Franz Klammer, i bi dr Hansi Hinterseer», irgendwas, egal, das Publikum hängt an seinen Lippen und seinem mächtigen Leib. Das Aufwachen aus dem Rausch folgt aber nach einer Stunde abrupt: Rauchpause. Ein Gast mit Kartonkrone Danach, lange 30 Minuten später, brauchen Publikum und Band eine Weile, um wieder in Fahrt zu kommen. Die hilft der Berner Musiker Kutti MC zu überbrücken, der, eine Burger King-Krone aus Karton tragend, den rappenden Despoten im Stück «König» gibt. Dass er nachher allerdings auf der Bühne bleibt, um selbst einen Song von seinem aktuellen Album zum Besten zu geben, können nicht alle im Publikum verstehen. Sie wissen nicht, dass Kutti MC und Endo Anaconda so etwas wie eine Familie bilden, dass der eine den anderen unterstützt und umgekehrt. Nach einer weiteren Stunde die erleichternde Gewissheit: Endo Anaconda ist da, in alter Frische. Mit seinen Sehnsüchten führt er das Publikum auf eine Reise, die nicht weiter geht als vom Dead-End über den Napf ins Klagenfurt und ins desillusionierende Venedig, um in der Nacht darauf wieder bei den zechenden Nachtvögeln in der Hauptstadt zu enden. Das ist, was den Mann mit Hut auszeichnet. Er ist trotz der lebensnahen Themen, den unterhaltsamen Überleitungen, mit seinen Aussagen niemals banal. Gleichzeitig schafft er es, die städtischen Althippies, die Jungbauern aus dem Hinterland und die szenebewussten Studentinnen zu vereinen, sie alle ins Bierhübeli zu locken und dort zu fesseln. Das mache ihm mal einer nach. Marina BolzliWeitere Tourdaten: 27./28.11., Volkshaus Biel; 29.11., Casino Burgdorf; 12./13.12., Mokka Thun.>
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