Eine Tragödie im Kleinen
tHUNNeil LaButes im KKThun gespielte Komödie «Fettes Schwein» entpuppt sich als zwischenmenschliche Tragödie. Sie führt dem Publikum bittere Wahrheiten über die Gesellschaft, die jeder kennt und keiner wahrhaben will, vor Augen.
Haben Dicke mehr Lebensfreude? Sind dicke Menschen einfach glücklicher, weil sie sich nicht um Oberflächlichkeiten kümmern, entspannter und mit sich zufrieden sind? Macht sie dies gar zu den besseren Liebhabern? Zu Beginn von Neil LaButes Komödie «Fettes Schwein», welche im Rahmen der Schauspielreihe der Kunstgesellschaft Thun (KGT) am Mittwochabend vom Euro-Studio Landgraf im gut besetzten KKThun aufgeführt wurde, sieht es ganz danach aus: Als Tom (Martin Lindow) beim Mittagessen in der Kantine Helen (Katrin Filzen) kennen lernt, scheint die mollige Bibliothekarin mit sich und ihrem Gewicht völlig im Reinen zu sein. Der biedere Karrieremann ist von ihrer aufgestellten, herzlichen Art und ihrer Lebenslust sofort eingenommen und die beiden beginnen sich zu treffen. Einzig Helens ständige Witze über ihre Pfunde deuten zu diesem Zeitpunkt darauf hin, dass ihre penetrante Fröhlichkeit vielleicht doch mehr Zweckoptimismus bedeutet als auf ein untrübliches Gemüt zurückzuführen ist. Zudem ist ihr aufdringliches Dauerlachen im Publikum nur schwer zu ertragen. (K)ein glückliches Paar Helen und Tom wären ein glückliches Paar. Wären da nicht Toms Arbeitskollegen und Freunde, Playboy Carter (Benjamin Kernen) und Blondine Jeannie (Julia Hansen), die ihn aufziehen wegen seiner dicken Freundin und vor denen er sich für sie schämt. Die zu Beginn auch wegen ihrer überzeichneten Darstellung eher flach und klischeehaft wirkenden Charaktere entwickeln sich im Verlauf des Stücks, zeigen immer mehr Facetten und den Schauspielern gelingt es, ihnen Tiefe zu geben (Regie: Volker Hesse). Es wird immer klarer, dass es eigentlich keine Rolle spielt, was Carter und Jeannie denken, sondern dass Tom nicht damit umgehen kann, eine Beziehung mit einer dicken Frau zu haben, weil dies nicht in sein Weltbild passt. Und so nimmt das als Komödie mit absehbarem Schluss begonnene Stück eine unerwartete Wende: Es wird zur Tragödie, einer eigentlich kleinen, unspektakulären, aber in letzter Konsequenz sehr deprimierenden. Vom «intimen» Verrat Im zweiten Teil von LaButes Trilogie über die Schönheit geht es nicht primär ums Dicksein. Das Stück will aufzeigen, wie sehr jeder einzelne Mensch von der Oberflächlichkeit der Gesellschaft infiltriert ist und dass die meisten von uns zu feige und zu schwach sind, um dagegen anzukämpfen. Vor allem aber handelt es vom «intimen Verrat», wie es der Autor nennt, davon, dass uns gerade die Menschen, die uns am nächsten stehen, am häufigsten und am meisten verletzen. Das eigentlich deprimierende daran: So sehr wir uns auch bemühen, dies wird sich nie vermeiden lassen.Miriam Schild >
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