Eine «Familie» rückt zusammen
Traurige Gesichter in der Altpapierhalle in Deisswil. Gestern wurde die ganze Belegschaft über die Schliessung des Werks informiert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spendeten sich gegenseitig Trost. Wie eine Familie.
«Ich danke euch für euren Einsatz», sagte Stephan Schneider, Geschäftsführer der Kartonfabrik, gestern Morgen zu den 255 Mitarbeitern. «Wir haben wirklich alles versucht in den letzten Jahren.» Zum ersten Mal wurde die gesamte Belegschaft über die Schliessung des Werks in Deisswil informiert. Als das Ende der Traditionsfirma letzte Woche bekannt gegeben wurde, hatten die meisten Angestellten Urlaub (wir berichteten). Sie alle haben sich gestern um Punkt 10 Uhr in der Altpapierhalle versammelt. Schneider bestritt die Mitarbeiterinformation gemeinsam mit Manfred Bachmann, dem Präsidenten der Betriebskommission. Vom Mutterkonzern aus Österreich war niemand da. Der Geschäftsführer legte seinen Leuten den Hauptgrund für die Schliessung dar. «Der Mutterkonzern hat nicht mehr an den Standort Schweiz geglaubt. Er wollte lieber im Ausland investieren.» Hinzu kamen die hohen Rohstoffpreise, der schwache Euro und die hohen Investitionen für den Umweltschutz. Bachmann versicherte den Anwesenden, dass die Betriebskommission alles unternehmen werde, um das Beste für die Belegschaft herauszuholen. «Die Betriebskommission wird immer für euch da sein», so Bachmann. Vieles offen Vorläufig gibt es nur wenige Fixpunkte, an denen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kartonfabrik Deisswil orientieren könnten. Sicher ist, dass bis am 3.Mai die gesetzlich festgelegte Konsultationsfrist läuft. Das heisst, dass Kündigungen frühestens auf Ende Mai ausgesprochen werden. Für alle, die mindestens ein Jahr in der Firma gearbeitet haben, gilt eine Kündigungsfrist von drei Monaten, für alle über 50-Jährigen sind es sechs Monate. Sicher ist auch, dass die Mitarbeiter alle zehn Tage in der Altpapierhalle morgens um 10 Uhr über den aktuellen Stand und das weitere Vorgehen informiert werden. Was Frühpensionierungen und den Sozialplan betrifft, haben die Verhandlungen aber erst begonnen. Das Ziel ist klar: «Am Ende der Kündigungsfrist soll jeder von euch eine Perspektive haben», sagte Stephan Schneider. Vieles getan Lösungen konnten Bachmann und Schneider gestern noch nicht präsentieren. Dennoch haben die Betriebskommission und die Geschäftsleitung bereits einiges unternommen. Das «Technische Sitzungszimmer» wurde kurzerhand zu einem Jobcenter umfunktioniert. Dort erhalten die Mitarbeiter Unterstützung vom HR-Team der Firma, um Bewerbungen zu schreiben. Es existiert auch bereits eine Internetseite, auf welcher 34 Jobangebote für Angestellte aus Deisswil eingegangen sind. Als Treffpunkt steht den Arbeiterinnen und Arbeitern die Cafeteria zur Verfügung. Deisswiler Geist lebt «Es ist wie eine Beerdigung», sagte bereits letzte Woche ein Mitarbeiter der Kartonfabrik. Genauso traurig war die Stimmung auch gestern Morgen. Es gab aber auch andere Parallelen zu einer Beerdigung. Wie eine Familie hielten die Deisswiler zusammen. Gestandene Männer verdrückten Tränen, wurden von ihren Kollegen getröstet und spendeten wenig später anderen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern Trost. Vom Hilfsarbeiter bis zum Geschäftsführer war bei allen dieselbe riesige Betroffenheit über den Verlust ihrer Fabrik zu spüren. Die Maschinen wurden zwar abgeschaltet, doch der viel zitierte Deisswiler Geist, der die Mitarbeiter mit ihren Kameraden und ihrem Werk verbindet, lebt. Ralph HeinigerStellenangebote zuhanden der Karton Deisswil AG können an folgende E-Mail Adresse gerichtet werden: jobs@mm-karton.com. >
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