Sie mussten Übungen machen, im Kirchenfeld unter Aufsicht bewerten, ob eine Bemalung am Haus Kunst ist oder eben Verzierung. Schmocker, Mediamatiker aus Bern, und Jahn, Jusstudent aus Herzogenbuchsee, haben keine kunsthistorische Vorbildung.
«Ein Kunsthistoriker wäre voreingenommen und würde werten, die Zivis haben einen neutralen Blick.»Renée Magaña, Projektleiterin
Das findet Projektleiterin Renée Magaña gut: «Ein Kunsthistoriker wäre voreingenommen und würde werten, die Zivis haben einen neutralen Blick», sagt sie. Und natürlich ist es auch eine Kostenfrage. Die 640 nötigen Arbeitsstunden für die Begehung würden jedes Kostendach sprengen.
Die Gehpläne, nach denen sich die Zivis richten, stammen von Martin Möll. Der Künstler hat während eines Stipendienaufenthalts vor zehn Jahren ganz Paris begangen, später setzte er sich mit dieser Systematik in Bern auseinander.
Er hat den Zivis bei der Einführung erklärt, dass sie besser 20 statt 35 Kilometer am Tag gehen und dafür die Umgebung gründlicher anschauen.
Seither schlendern Oliver Schmocker und Alexander Jahn nur noch. Damit sie zum Beispiel ein geschweisstes Kunstwerk im Garten entdecken, so wie jetzt. Sie erfassen die kugelförmige Eisenskulptur.
Die Inventarisierung an sich ist ganz einfach: Alexander Jahn fotografiert mit dem iPad, das zugleich Geodaten erhebt. Oliver Schmocker füllt derweil von Hand eine Fiche aus. Darauf sind Ort und Geodaten vermerkt, das Objekt erhält einen Namen, und, falls möglich, vermerken Schmocker und Jahn Materialien, Zustand und Künstler.
So gelangen die Informationen ans Projektteam zurück, das in einer späteren Phase die Daten erfasst und nachbearbeitet. Da werden noch einmal Objekte aussortiert, fehlende Angaben ergänzt und in einem weiteren Schritt schliesslich nach ihrer Relevanz sortiert. Später könnte so ein kommentierter Führer mit einer Auswahl von Objekten entstehen.
Erste digitale Erfassung
Es ist die erste Inventarisierung der Kunst im öffentlichen Raum seit 1989. Und die erste digitale. Damit schliesst die Stadt Bern eine Lücke, die anderswo längst nicht mehr besteht. Die Stadt Basel zum Beispiel hat mit der digitalen Inventarisierung der Kunst im öffentlichen Raum schon 2001 begonnen.
Sie pflegt die digitale Kunstdatenbank laufend. Ab diesem Herbst sollen die inventarisierten Kunstwerke auf einer interaktiven Karte für die Verwaltung sichtbar sein. Bis dahin ist es für die Stadt Bern noch ein weiter Weg.
Und für die beiden Zivis auch, sie gehen mindestens bis Mitte Juli weiter.
«Suchen Sie etwas?», fragt eine ältere Frau plötzlich, als sie mit iPad und Notizblock vor einem Garten stehen. «Nein, wir sind im Auftrag der Stadt Bern hier», antworten die beiden routiniert und erklären ihre Mission. Die Frau verschwindet erleichtert im Haus. Die beiden Begeher, einer gross, einer klein, schreiten zum nächsten Haus.