Statthalterin zwischen verhärteten Fronten
Der Rechtsstreit um den Anwalt, der das Jurastädtchen Moutier vertritt, blockiert die Erledigung der hängigen Abstimmungsbeschwerden.

Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) hat ein Dokument über auffällige Bevölkerungsbewegungen in Moutier, das ihm anonym zugespielt worden war, an die falsche Adresse geschickt. Die Berner Staatsanwaltschaft hat dem Justiz- und Gemeindedirektor nämlich erklärt, dass sie auf das anonyme Dokument nicht eintreten werde. Zuständig sei das Regierungsstatthalteramt des Berner Jura. Das bestätigt Christof Scheurer, Sprecher der Berner Staatsanwaltschaft, auf Anfrage dieser Zeitung.
Staatsanwaltschaft lehnt ab
Das anonyme Mail publik gemacht hat am Wochenende die «SonntagsZeitung». Der Artikel dreht sich um die Abstimmung vom 18. Juni, als sich Moutiers Stimmberechtigte mit einer knappen Mehrheit von 137 Stimmen für einen Wechsel zum Kanton Jura entschieden. Gemäss «SonntagsZeitung» wollen die anonymen Absender mit ihrer Statistik über die auffällig schwankenden Einwohnerzahlen von Moutier nachweisen, dass separatistisch gesinnte Abstimmungstouristen kurz vor der Abstimmung ihre Papiere nach Moutier verlegten und sie dann wieder abzogen.
Die Zeitung zitierte aus dem Stimmregister von Moutier gar konkrete Einzelfälle. Etwa Mathieu Baillif, Sohn von Moutiers Vizestadtpräsident Dominique Baillif. Vater und Sohn sind gemäss «SonntagsZeitung» bekennende Separatisten.
Christof Scheurer von der Staatsanwaltschaft verweist darauf, dass seine Behörde schon Anfang Februar eine Anzeige gegen die Abstimmung vom 18. Juni abgewiesen habe, in der es unter anderem um Abstimmungstourismus gegangen sei. Aus dem nun aufgetauchten Dokument würden sich «keine neuen Anhaltspunkte für strafbare Handlungen» ergeben. Überdies sei Abstimmungstourismus nicht strafbar, es stehe jedem Bürger und jeder Bürgerin frei umzuziehen. Aktiv würde die Staatsanwaltschaft laut Scheurer erst, wenn Urkunden oder Stimmregistereinträge gefälscht wären.
Statthalterin hat frei
Die Staatsanwaltschaft hat das Dokument nun an die dafür zuständige Statthalterin in Courtelary, Stéphanie Niederhauser, weitergeleitet. Diese erklärt auf Anfrage, dass sie den Inhalt noch nicht kenne, weil sie derzeit ein paar Freitage beziehe.
Ist die Studie nicht ohnehin nach dem Verstreichen vorgeschriebener Beschwerdefristen aufgetaucht? «Angenommen, das Dokument würde belegen, dass am 18. Juni im grossen Stil betrogen wurde, dann müsste ich aktiv werden», erklärt Niederhauser. Sie kenne das Dokument aber, wie erwähnt, noch nicht und könne weder bestätigen, dass Abstimmungstourismus stattgefunden habe, noch, dass er nicht stattgefunden habe.
Die Statthalterin äussert sich auch nicht zum Vorwurf von Moutiers Stadtpräsident Marcel Winistoerfer (CVP), wonach das probernische Lager ebenfalls zu Abstimmungstourismus aufgerufen hat. «Im Stimmregister von Moutier liesse sich nur eruieren, ob Leute vor der Abstimmung hergezogen sind, nicht aber, für welches Lager sie gestimmt haben», sagt sie.
Abstimmungstourismus ist zwar nicht strafbar, die Statthalterin hätte aber dennoch die Kompetenz, den Urnengang vom 18. Juni deswegen zu annullieren. Allerdings müsste sie dafür nachweisen können, dass Abstimmungstourismus in grosser Zahl und mit Wissen und Billigung der Gemeinde Moutier stattgefunden hätte, sagt Stéphanie Niederhauser. Das aber kann man der Gemeinde wohl nur schwer nachweisen. Selbst wenn Vize-Stapi Baillif von der kurzfristigen Umsiedelung seines Sohns gewusst haben sollte.
Stadt Moutier weigert sich
Mit einer Einschätzung liegt Justizdirektor Christoph Neuhaus übrigens richtig: Moutiers auf 2021 geplanter Kantonswechsel dürfte sich verzögern. Das hat laut Statthalterin Niederhauser einen besonderen Grund: Derzeit ist nämlich die Kommunikation zwischen Moutiers Streitparteien unterbrochen.
Die probernischen Einsprecher fordern von der Statthalterin, wegen eines Interessenkonflikts den Anwalt auszuwechseln, der die Stadt Moutier in der Beschwerdesache vertritt. Flugs haben darauf die mehrheitlich separatistisch gesinnten Behörden Moutiers die Abberufung ihres Rechtsvertreters vor dem bernischen Verwaltungsgericht angefochten.
Vor demselben Gericht bestreiten sie auch Niederhausers Idee, alle sieben hängigen Abstimmungsbeschwerden aufs Mal zu beantworten. Bis das Gericht entschieden hat, sind also der Statthalterin, auf deren Verdikt alle warten, die Hände gebunden.
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