Sie sagte, er habe gelogen – und bleibt straffrei
Die pensionierte Lehrerin durfte von einer Lüge reden: Richterin Salome Krieger sprach sie vom Vorwurf frei, den Schwarzenburger Gemeinderat Andreas Kehrli in der Ehre verletzt zu haben.

Andreas Kehrli verstand die Welt nicht mehr. Eben hatte Richterin Salome Krieger das Verfahren geschlossen, das er als Privatkläger angestrengt hatte, und der FDP-Gemeinderat aus Schwarzenburg machte unmissverständlich klar, wie sehr ihm das Urteil missfiel.
Die Angeklagte, eine aufmüpfige und im Dorf entsprechend bekannte pensionierte Lehrerin, hatte sich nicht strafbar gemacht. Obwohl sie ihm in aller Öffentlichkeit an den Kopf geworfen hatte, er habe gelogen. Und er sich in der Folge in seiner Ehre verletzt sah.
Dass sie nach all den Querelen der vergangenen Jahre nun auch noch so davonkomme, stelle sein Rechtsverständnis grundsätzlich infrage, haderte Kehrli weiter. Und antwortete auf die Frage, ob er vor diesem Hintergrund den Handel weiterziehen werde: Das sei im Moment offen.
Oder eine Falschaussage?
Passiert war es an der Gemeindeversammlung Ende 2015, als sich die pensionierte Lehrerin im «Verschiedenen» zu Wort meldete. Einmal mehr kam sie auf die Streitereien um zwei Bauprojekte ihres Nachbarn zu reden, und einmal mehr warf sie den Behörden Ungereimtheiten vor.
Als ihr der damalige Gemeindepräsident Ruedi Flückiger (SP) dezidiert entgegentrat und betonte, es sei alles mit rechten Dingen zugegangen, antwortete sie ihm: «Das stimmt alles nicht. Andreas Kehrli hat Sie angelogen.» Ähnlich habe sich Kehrli gegenüber Regierungsstatthalter Christoph Lerch verhalten: «Er hat Herrn Lerch angelogen.»
Sie sei von Flückiger regelrecht zusammengestaucht worden und entsprechend wütend gewesen, blickte die Lehrerin vor Gericht auf den Abend zurück. Während der Einvernahme fügte sie in abgeschwächter Form an: Sie bleibe dabei, dass Kehrli zu den zwei Bauprojekten Falschaussagen gemacht habe.
Vor der Polizei hatte sie sich kurz nach der Versammlung noch mehr zurückgenommen. Auf Fragen wie jene, warum sie Kehrli als Lügner bezeichnet habe, antwortete sie gar nicht. Sie machte von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern.
Mahnung zum Schluss
Umso deutlichere Worte wählte wiederum Kehrli in der Verhandlung. Er sprach davon, wie er zwischen der pensionierten Lehrerin und deren Nachbarn zu vermitteln versucht habe, erinnerte weiter an die Verfahren, die sie auf diversen Ebenen gegen Gemeinderat wie Statthalter angestrengt habe. Vor allem aber wollte er festgehalten haben: Es sei einfach nicht recht, wenn er vor 230 Schwarzenburgerinnen und Schwarzenburgern als Lügner hingestellt werde. Wenn dies so Schule mache, müsse man sich nicht wundern, wenn immer weniger Leute bereit seien, sich in der Freizeit in der Gemeindepolitik zu engagieren.
Doch Richterin Krieger liess sich davon nicht vom Freispruch abbringen. «Es ist ein Unterschied, ob jemand sehr allgemein als Lügner dargestellt oder in einem bestimmten Zusammenhang der Lüge bezichtigt wird», erklärte sie zur Begründung. Im vorliegenden Handel sei Zweiteres der Fall. Dazu komme, dass das Bundesgericht bei Ehrverletzungsvorwürfen im Rahmen politischer Debatten zu besonderer Zurückhaltung mahne.
Einen mahnenden Schlusssatz konnte sie sich nicht verkneifen. Der Gerichtssaal sei sicher nicht der Ort, an dem innerer Friede zu holen sei, hielt sie an die Adresse der Lehrerin fest. Und an die Adresse von Kehrli: Aber sicher auch nicht der Ort, an dem sich junge Leute für die Politik motivieren liessen.
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