Nach diesem Takt tickt die Schweiz
Am Sonntag verbreitet André Stefanov vom Bundesamt für Metrologie die Sommerzeit. Via Internet werden die Uhren, die mit dem Institut in Wabern verbunden sind, automatisch umgestellt. Dabei ist Präzision gefragt.

Wenn am Sonntag in der Früh die Uhren um eine Stunde vorgestellt werden, kann André Stefanov dies getrost vergessen. Der Leiter des Labors Zeit und Frequenz im Bundesamt für Metrologie (Metas) hat längst dafür gesorgt, dass die Schweizer Zeit pünktlich auf Sommerzeit umgestellt wird. Denn im Metas in Wabern wird vorgegeben, wie die Uhren zu ticken haben – jedenfalls jene, die ihre Zeit via Internet oder Funk vom Metas beziehen.
Automatisch werden sie am Sonntag um 2 Uhr um eine Stunde vorgerückt. André Stefanov hat den Computer bereits dafür programmiert. Er muss also nicht ins Büro reisen und einen Knopf drücken, sondern kann in dieser Nacht friedlich weiterschlummern oder weiterfeiern.
Der grosse Uhrenvergleich
Das Metas bestimmt die offizielle Schweizer Zeit. Dazu werden in einem Raum im Untergeschoss fünf Atomuhren ständig miteinander verglichen. Sie messen die Sekunde auf die 13.Stelle nach dem Komma genau. Damit ist die Zeit die genauste Grösse, die im Metas bestimmt wird (siehe Kasten rechts). Von diesen fünf Atomuhren wird der Mittelwert als die für die Schweiz geltende Zeit weiterverbreitet.
Solche Labors wie in Wabern gibt es weltweit deren 70. Insgesamt kommen so 350 Atomuhren zusammen, deren Daten monatlich im Internationalen Büro für Mass und Gewicht in Paris miteinander verglichen werden. Der Mittelwert dieser Uhren wiederum bestimmt die koordinierte Weltzeit.
Bei Uhren, die so genau laufen wie jene im Metas, sind nicht die Sekunden ausschlaggebend. «Eine Sekunde ist für mich eine lange Zeit», sagt André Stefanov. Der Physiker misst die Anzahl Schwingungen eines Cäsium-atoms im Vakuum. Dieses Atom schwingt rund 9 Milliarden Mal pro Sekunde.
Bis Ende 1966 wurde die Sekunde noch über den Tag definiert, also über eine Umdrehung der Erde um ihre Achse. Doch die Erde dreht sich manchmal schneller, manchmal langsamer. Die Zeit, die so berechnet wird, ist folglich nicht stabil. Deshalb sind seit 1967 Atomschwingungen ausschlaggebend dafür, wie die Uhren ticken.
Videokonferenzen möglich
Auf den ersten Blick mag es absurd erscheinen, dass es überhaupt nötig ist, die Zeit so genau messen zu können. Bei Sportlern etwa ist die Hundertstelsekunde ausreichend, um einen Weltrekord zu definieren.
Doch es gibt durchaus Bereiche, in denen die ganz genaue Zeit entscheidend ist. Etwa das Satellitennavigationssystem GPS. Je exakter die Zeit gemessen werden kann, desto präziser kann auch bestimmt werden, wo sich das Auto befindet. Ein weiterer Bereich bildet die Telekommunikation. Je mehr Daten pro Sekunde übertragen werden sollen, desto genauer müssen die Netze synchronisiert sein – etwa bei Videokonferenzen. Schliesslich sind auch Geophysik, Astronomie und Raumfahrt auf genaue Zeitangaben angewiesen. Denn wie sollten sonst Phänomene wie das schnellere oder langsamere Drehen der Erde erkannt werden?
Die genauste Uhr der Welt?
Weil es wichtig ist, die Zeit möglichst genau zu erfassen, arbeiten das Metas und die Universität Neuenburg seit Jahren gemeinsam an einem Forschungsprojekt: Sie haben einen Cäsium-Springbrunnen entwickelt – eine Atomuhr, die noch genauer tickt als die bestehenden Atomuhren. Zwar besitzen bereits mehrere Länder solche Fontänen, doch tüfteln die Physiker immer nach neuen Möglichkeiten, die Zeit zu messen.
Der Cäsium-Springbrunnen steht direkt neben dem Raum mit den Atomuhren. Er füllt das von äusseren Einflüssen abgeschirmte Labor fast komplett aus und besteht aus Lasern, Optiken, unzähligen Kabeln, einer Vakuumkammer und viel Steuerungselektronik. Allein die Apparatur für diese Uhr kostete rund eine Million Franken. Die jahrelange Arbeit der Forscher ist da noch nicht eingerechnet. Stefanov hofft, noch dieses Jahr mit dem Springbrunnen die Zeit besonders genau messen zu können. Doch die Metrologen suchen ständig nach Wegen, ihre Instrumente zu verbessern. Schliesslich sollen die Uhren so genau wie möglich ticken – egal, ob nun Sommer- oder Winterzeit ist.
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