Grüne machten blau
Kaum gewählt und schon verschwunden – die Grünen hatten ein Problem. Kurz nach den Wahlen waren zwei ihrer drei Parlamentssitze verwaist. Präsidentin Carole Klopfstein blieb als Einzige übrig. Bis heute.

Im September waren ihre Stühle plötzlich leer, genauso wie im Oktober und im November. Monatelang glänzten Anik Thaler und Laura Lehni im Parlament von Muri-Gümligen durch Abwesenheit, und alles hing nun an Carole Klopfstein. Sie war als Einzige der dreiköpfigen Fraktion übrig, vertrat die Meinung der Grünen nun mutterseelenallein.
Die Euphorie, welche die – im wahrsten Sinne des Wortes – junge Partei noch im Jahr zuvor erfasst hatte, schien verflogen zu sein. Aus dem Stand hatte die gerade erst gegründete Partei bei den Wahlen Ende 2016 gleich Fraktionsstärke erreicht – und davon sollte jetzt, nur ein paar Monate später, nichts mehr übrig sein?
Intensiv diskutiert
Carole Klopfstein sitzt nicht nur für die Grünen im Parlament, sie amtet auch als Präsidentin der Ortspartei. Offen gesteht sie ein, dass die lange Abwesenheit ihrer Kolleginnen «sicher nicht glücklich» sei. Gleichzeitig versucht sie auch, Verständnis zu wecken. Sie erinnert daran, dass Anik Thaler und Laura Lehni als gerade mal 18-Jährige gewählt worden sind. Letzten Sommer bestanden sie die Matur und verabschiedeten sich ins Ausland. Die eine für eine Weltreise, die andere für einen Sprachaufenthalt.
Trotzdem, versichert Carole Klopfstein, habe die Partei die Sache nicht auf die leichte Schulter genommen. «Wir haben intensiv darüber diskutiert, wie wir mit den Abwesenheiten umgehen», sagt sie. Immerhin sei schon bei den Wahlen im Raum gestanden, dass es so weit kommen könnte.
Und ja, derart lange Absenzen könnten bei den Wählern Stirnrunzeln hervorrufen. Weil plötzlich die Frage im Raum stehe, wie ernst es den Gewählten mit der Politik sei, aber: «Junge Leute haben nun mal einen anderen Lebensrhythmus.» Wer dies nicht akzeptiere, schliesse sie quasi aus der Politik aus. «Das ist in meinen Augen keine Lösung.»
Die anderen Parteien scheinen dies ähnlich zu sehen. Sie habe jedenfalls, so Carole Klopfstein weiter, keine negativen Reaktionen gehört. Zumindest für die SP, die den Grünen auch inhaltlich nahesteht, trifft dies zu: «Die beiden jungen Frauen sorgen für frischen Wind», sagt Fraktionschef Beat Schneider. «Sie tun dem Parlament gut.»
Sogar bei der FDP, die nicht nur politisch anders tickt, sondern vor Ort auch die dominierende Kraft ist, fällt die Reaktion zurückhaltend aus. Man könne als Partei den Gewählten ja keine Vorschriften machen, sagt Präsident Adrian Kauth, ganz dem liberalen Geist verpflichtet. Einen kleinen Seitenhieb kann er sich jedoch nicht verkneifen: Bei den nächsten Wahlen werde sich ja zeigen, wie die Basis auf die beiden Ausfälle reagiere.
Er sagt dies nicht ohne Grund. Immerhin hat seine Partei unter dem dreifachen Einzug der Grünen gelitten. FDP wie Jungfreisinn verloren Ende 2016 je ein Mandat, der Jungfreisinn fiel damit ganz aus dem Parlament – ungeachtet der fünfjährigen Konstanz, mit der sein Vertreter Fabian Burkhard politisiert hatte.
Jede Stimme zählt
Eine Übersicht, wie akut das Thema im Bernbiet ist, hat niemand. Stefan Nobs im kantonalen FDP-Sekretariat sieht in längeren Absenzen so lange kein Problem, «wie sie Einzelfälle bleiben». Immerhin sei eine Wahl stets mit der Erwartung verbunden, «das Amt anzunehmen und dann auch auszuführen». Übrigens nicht allein aus Respekt der Wählerschaft gegenüber: In den Abstimmungen sind die Parteien oft auf jeden Anwesenden angewiesen.
Bei der SVP streicht Aliki Panayides nochmals hervor, dass eine Partei ihre Vertreter nicht weiter binden könne, «weil wir sonst erst recht niemanden mehr finden». Dass sich junge Leute aus noch ganz anderen Gründen mit der etablierten Politik schwertun, weiss sie aus ihrer eigenen Erfahrung in Ostermundigen. Sie redet von der Ernüchterung, die sich breitmacht, wenn der erste Elan verflogen ist und die politische Knochenarbeit beginnt – in einem konkreten Fall sei man übereingekommen, dass ein Rücktritt das Beste sei.
David Stampfli erinnert bei der SP daran, dass auch die Geburt eines Kindes zu einem Ausfall führen kann, weil sich parlamentarische Tätigkeiten arbeitsrechtlich wie versicherungstechnisch mit dem 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub nicht vertragen. Zuweilen brechen gar ältere Politiker aus ihrem Alltag aus – wie der Berner SP-Stadtrat Benno Frauchiger, der letzten Sommer für ein halbes Jahr in See stach.
Entspannung in Sicht
Bei den Grünen in Muri hat die Ausnahmesituation mit gleich zwei Absenzen ohnehin ein Ende. Schon an der Sitzung von heute Abend wird Laura Lehni von ihrem Sprachaufenthalt zurück sein. Anik Thaler dagegen kehrt dem Parlament definitiv den Rücken. Sie bleibt noch länger auf Weltreise als die ursprünglich geplanten acht Monate. Für sie rutscht Gino Benni nach.
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