
«Am Sonntag ist die Berner Altstadt tot»
Sonntagsspaziergang durch die Berner Altstadtgassen: schön, gemütlich. Doch will man in einer der bekannten Beizen einkehren: geschlossen, geschlossen, geschlossen. Und die Geschäfte sowieso.
Umbauarbeiten lassen Susanne Zweifel keine andere Wahl. Sie schliesst ihre Münstergalerie in der Berner Altstadt.
«Kunst darf auch schön sein»: Unter diesem Motto stellte Susanne Zweifel neun Jahre lang ihre Bilder in der Münstergalerie aus.
(Bild: Beat Mathys)
«Nüme lang ...» steht draussen an der Scheibe. Drinnen sitzt Susanne Zweifel – umgeben von Malereien, beschallt von sanften Gitarrenklängen aus dem CD-Player. «Nüme lang» wird die 69-jährige Malerin hier sitzen. Ihre Münstergalerie schliesst nach neun Jahren am 2. März. Spricht sie darüber, schwingt etwas Wehmut mit, doch meint sie mit einem warmen Lächeln: «Alles hat seine Zeit.»
Der Grund für die Schliessung hängt mit dem Umbau der Liegenschaft an der Münstergasse 32 zusammen. Im Sommer 2017 verkaufte der Kanton das denkmalgeschützte Haus an eine Privatperson (siehe Kasten). Der neue Besitzer will noch in diesem Jahr mit dem Umbau beginnen. Es ist jedoch nicht so, dass er Susanne Zweifels Mietvertrag gekündigt hätte, auch nicht, dass eine Mietzinserhöhung gedroht hätte. Sie habe ein gutes Verhältnis zum neuen Eigentümer, betont die Galeristin. «Ich habe von mir aus gekündigt.»
Erfrischend simples Credo
Ganz freiwillig ist der Auszug trotzdem nicht, und zwar wegen der Begleitumstände des Umbaus. Während mindestens eines Jahres werden in den Stockwerken oberhalb ihrer Ausstellungsfläche ehemalige Büros in Wohnungen umgewandelt. Viel Staub, Dreck und Lärm sind daher programmiert. «Unter diesen Umständen kann man keine Kunstgalerie betreiben», sagt Susanne Zweifel.
Seit 2010 stellt die Künstlerin ihre Werke in der Galerie an der Münstergasse aus. Zu malen begann die siebenfache Mutter 1997. Sie bildete sich autodidaktisch weiter, und bereits ein Jahr später hatte sie ihre erste Ausstellung. Susanne Zweifel malt hauptsächlich auf Leinwand, dies mit einer Acrylmischtechnik. Ihr Credo ist erfrischend simpel: «Kunst darf auch schön sein.»
Damit will sie sich vom zeitgenössischen Kunstverständnis abgrenzen. Dieses sei oft elitär und verlange nach einer symbolisch aufgeladenen, ja fast philosophischen Aussage hinter dem Werk. «Ich male nicht, um etwas zu verarbeiten oder zu vermitteln, sondern um etwas zu kreieren, das mir gefällt», sagt sie. Ihre Bilder sollen primär der Seele guttun – «aber nicht auf esoterische Art», schiebt sie lächelnd nach.
Behutsamer Abschied
Verkauft hat sie primär an Laufkundschaft, diese stammt aus der ganzen Schweiz. Mit ganztägigen Malkursen sicherte sie sich zudem ein Zusatzeinkommen. Und schliesslich beliefert sie seit zwanzig Jahren die Redaktion dieser Zeitung, welche die Todesanzeigen hin und wieder mit ihren Malereien bebildert. Ein Dienst, den sie gratis anbietet.
In ihrem Atelier in Meinisberg, wo sie auch wohnt, will Susanne Zweifel weiterhin malen. «Vielleicht werde ich versuchen, Einzelausstellungen in anderen Galerien zu realisieren», sagt sie. Eine Abschiedsparty wird es nicht geben. Lieber verabschiedet sie sich nach und nach von ihrer Kundschaft – auf ganz persönliche Art. Denn: «Massenaufläufe sind nicht so mein Ding.»
Michael Bucher
Das fünfstöckige Haus an der Münstergasse 32 ist als Teil des Unesco-Weltkulturerbes vollumfänglich geschützt. Die ersten drei Obergeschosse über der Münstergalerie wurden jahrzehntelang von der kantonalen Denkmalpflege genutzt, seit deren Auszug vor zwei Jahren stehen die Büros leer. Darüber befinden sich zwei Dachwohnungen. Im Sommer 2017 verkaufte der Kanton Bern die Liegenschaft. Die Stadt Bern war ursprünglich auch an einem Kauf interessiert. Doch der Kanton räumte ihr kein Vorkaufsrecht ein und veräusserte das Haus an den Meistbietenden – in diesem Fall an eine Privatperson. Der Richtpreis fürs Bieterverfahren betrug 6,5 Millionen Franken.
In Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege lässt der neue Besitzer das Haus nun sanft renovieren. Dabei muss er sich an strikte Vorschriften der Stadt halten. Während im Erdgeschoss weiterhin das Kleingewerbe oder die Gastronomie erwünscht sind, werden aus den leeren Büroräumen darüber Mietwohnungen. So sieht es die städtische Bauordnung vor. Auch das Stadtentwicklungskonzept will die Wohnnutzung in der unteren Altstadt fördern. (mib)
Berner Zeitung
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