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«Technisch nicht realisierbar»
Ein Ergebnis im Sinne der Stadt und ihrer eigenen wirtschaftlichen Entwicklung: Thun als Standort für eine neue BLS-Werkstätte ist vom Tisch. Weiterverfolgt werden Standorte im Westen Berns.
Bei einem Vorhaben dieser Grössenordnung gibt es keine gute Variante: Zu diesem Schluss kommt die Begleitgruppe und schlägt der BLS vor, ihre neue Werkstätte im Chliforst in Bern-West zu bauen.
Die zwei Varianten im Vergleich.
(Bild: Grafik fri / Quelle Google Earth)
Der Entscheid war bereits durchgesickert, am Dienstag wurde er offiziell: Die Begleitgruppe empfiehlt der BLS, die neue Werkstätte im Chliforst-Nord im Westen der Stadt Bern zu bauen. Anderthalb Jahre nachdem das Bahnunternehmen mit seinen Plänen für eine Werkstätte in Riedbach einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte, liegt nun ein breit abgestützter Vorschlag für einen Standort etwas weiter westlich vor.
Alles in Butter also? Mitnichten. Illusionen dürfe man sich keine machen, betonte Bernhard Antener, Präsident der Begleitgruppe, am Dienstag vor den Medien: «Angesichts der Dimension des Vorhabens gibt es keine Variante, die das Prädikat gut verdient. Bei jeder Lösung sind Menschen, Raum und Umwelt betroffen.»
Die Begleitgruppe konzentrierte sich deshalb darauf, aus 42 möglichen Standorten denjenigen auszuwählen, der am wenigsten Nachteile mit sich bringt und auf die grösste Akzeptanz stösst. Antener ist überzeugt: «Mit der vorgeschlagenen Lösung wird eine gewisse Opfersymmetrie gewahrt.»
Weniger Kulturland nötig, dafür muss Wald weichen
Im Vergleich zum ursprünglichen BLS-Projekt zwischen dem Weiler Buech und dem Bahnhof Riedbach müsse im Chliforst 40 bis 45 Prozent weniger Kulturland verbaut werden, sagte Antener.
Die Begleitgruppe schlägt nämlich vor, gleich drei Bahnwerkstätten für die 132 Züge der BLS zu betreiben: die ausgebauten Anlagen in Spiez und Bönigen sowie die neue im Chliforst. Wird der Standort Bönigen entgegen früherer Pläne beibehalten, kann der Neubau in Bern-West kleiner dimensioniert werden.
«Im Vergleich zum ursprünglichen BLS-Projekt zwischen dem Weiler Buech und dem Bahnhof Riedbach müsse im Chliforst 40 bis 45 Prozent weniger Kulturland verbaut werden.»Bernhard Antener
Es ist also weniger Land nötig, aber nicht minder geschütztes: Wie der Name Chliforst schon sagt, steht dort der Werkstätte Wald im Weg. Rund 4 Hektaren müssten gerodet werden. Die restlichen 10,5 Hektaren für das Projekt wären Kulturland. Der Schutz des Waldes sei natürlich «ein gewisses Risiko» für das Projekt, räumte der Präsident der Begleitgruppe am Dienstag ein.
Nur: Kann bei Infrastrukturbauten nachgewiesen werden, dass sie nur an einem bestimmten Standort möglich sind, darf Wald gerodet werden – in Bern so geschehen für die Energiezentrale Forsthaus oder die benachbarte Feuerwehrkaserne.
Schiessanlage verlegen als Kompensation für den Wald
Im Chliforst gäbe es aus Sicht der Begleitgruppe sogar eine bestens geeignete Kompensation für den gerodeten Wald. Sie schlägt vor, die Schiessanlage Riedbach in den Untergrund der neuen Bahn-Werkstatt zu verlegen.
Auf dem Areal des heutigen Schiessplatzes könnte aufgeforstet werden. Wenn man den belasteten Boden saniere, dürfte er sogar als Kulturland genutzt werden, sagte Antener.
Im Chliforst wären keine Bauernhöfe betroffen
Die Erschliessung der Werkstätte ist über den Autobahnanschluss Mühleberg durch den Spilwald vorgesehen. Dafür müsste der heutige Forstweg der Burgergemeinde Bern ausgebaut werden. Ihr gehört auch der allergrösste Teil des Landes, auf dem die Werkstätte gebaut werden soll.
«Die Begleitgruppe war alles andere als ein Abnickergremium», sagt Bernhard Antener, Präsident der Begleitgruppe, «wir haben um die beste Lösung gerungen». Bild: Stefan Anderegg
Es sei ein grosser Vorteil, dass im Chliforst im Vergleich zum ersten Standort Riedbach «verhältnismässig wenig Grundeigentümer und Anwohner» betroffen wären, sagte Antener. «Zudem wären im Chliforst auch keine Bauernhöfe, sprich keine Existenzen gefährdet.» In Riedbach hätte ein Bauernhof wegen der Werkstätte abgerissen werden müssen.
Der Berner Gemeinderat beurteilt den Standort im Westen Berns «nach wie vor kritisch», ist aber grundsätzlich bereit, eine Diskussion darüber aufzunehmen (siehe Zweittext).
Unsicher, ob Fahrplan eingehalten werden kann
In der über 40-köpfigen Begleitgruppe sassen Behörden, Vertreter von Parteien, Verbänden und der Wirtschaft sowie direkt Betroffene aus dem Westen Berns. Man habe unabhängig von der BLS und professionell gearbeitet, betonte Präsident Antener.
«Die Begleitgruppe war alles andere als ein Abnickergremium. Wir haben um die beste Lösung gerungen.» Beim Zeitplan wollte er sich «nicht aus dem Fenster lehnen». Angestrebt wäre eine Eröffnung der neuen Anlage im Jahr 2025.
Die Arbeit der BLS-Werkstätten-Begleitgruppe ist am Montag mit einer kleinen Dissonanz zu Ende gegangen: Kurz vor Beginn der letzten Sitzung trat die Quartierkommission Bümpliz-Bethlehem (QBB) aus der Gruppe aus. An der Medienkonferenz zur Vorstellung der Empfehlungen sagte Begleitgruppen-Präsident Bernhard Antener, fünfzehn Minuten vor Beginn der letzten Sitzung am Montag habe die QBB ihren Austritt bekanntgegeben. Dies mit der Begründung, die Begleitgruppe sei nicht auf einen Antrag der QBB eingegangen.
Ein solcher Antrag sei aber nie eingegangen, sagte Antener. Er bedauerte auch, dass die QBB schon am 16. September in einer Medienmitteilung zumindest einen Teil der Begleitgruppen-Empfehlungen veröffentlichte.
Auf Anfrage sagte dazu QBB-Präsident Bernardo Albisetti, an sich sei ein Antrag vorbereitet gewesen. Ob dieser Antrag aber auch wirklich formell eingereicht worden sei, sei fraglich.
Nach Albisettis Worten geht es der QBB vor allem um rechtliche Fragen. Wie die bernischen Grünen fragen sie sich, ob eine BLS-Werkstatt teilweise auf Waldgebiet überhaupt verwirklicht werden kann. Diese Frage hätte die QBB vor der Abgabe von Empfehlungen an die BLS gern von einem kompetenten Gutachter abgeklärt gehabt.
Begleitgruppen-Präsident Antener sagte an der Medienkonferenz, die Begleitgruppe werde sich nach Abgabe der Empfehlungen nicht auflösen, sondern bleibe auf «Stand-by». (sda)
Berner Zeitung
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