Arbeitsverträge im Sexgewerbe
prostitutionDer Grosse Rat will, dass Sexarbeit im Kanton Bern nicht mehr als
Eine breite Koalition um SP, BDP, FDP und Grüne ist entschlossen, dem Kanton Bern ein modernes Prostitutionsgesetz zu verpassen. Sie hat sich gestern vor allem gegen die SVP durchgesetzt, in der umstrittensten Frage aber auch gegen den Regierungsrat. Dieser will sich dem Bundesgericht beugen, das die Prostitution in jahrzehntealten Urteilen als sittenwidrig bezeichnet und dies bislang nicht widerrufen hat. Dabei geht es um handfeste Fragen: Solange Prostitution als sittenwidrig gilt, können Sexarbeiterinnen ihren Lohn nicht auf dem Rechtsweg einfordern und sich nicht anstellen lassen. Sie müssen selbstständig tätig sein, obwohl ein Arbeitsvertrag ihnen mehr Schutz bieten könnte, in den Bereichen Arbeitsrecht oder Sozialversicherungen etwa. Aus dem «Halbdunkel» Der Grosse Rat will dies ändern und dafür einen allfälligen Verstoss gegen Bundesrecht riskieren. Dies beschloss er gestern im Grundsatz: Eine klare Mehrheit von 88 zu 43 Stimmen hiess einen verbindlichen, überparteilichen Vorstoss gut. Dieser fordert, dass künftig im Kanton Bern die Prostituierten und die Betreiber von Salons, Begleitservices und dergleichen Arbeitsverträge eingehen können. Ein paar Stunden später erschrak das Kantonsparlament offenbar über seinen Mut. Es verzichtete darauf, die neue Regelung konkret und verbindlich im Prostitutionsgesetz festzuschreiben, das gestern in erster Lesung beraten wurde. Stattdessen beauftragte der Grosse Rat mit einem Zufallsentscheid die zuständige Kommission, die entscheidenden Artikel noch einmal zu diskutieren und einen neuen Vorschlag vorzulegen. So wird sich erst bei der zweiten Lesung des Gesetzes im Juni zeigen, ob die Koalition hält, welche die Prostitution aus dem «Halbdunkel» und der «Doppelmoral» befreien will, wie es gestern hiess. Einer der Wortführer ist Heinz Siegenthaler (Rüti bei Büren), der designierte BDP-Präsident. Seine Losung: «Entweder ist etwas verboten, oder es ist erlaubt.» Der Staat könne nicht sagen, Prostitution sei zwar zulässig, aber auch unanständig – und deshalb vertragliche Vereinbarungen verbieten. «Diese Doppelmoral wollen wir nicht mittragen», so Siegenthaler. SP-Sprecherin Béatrice Stucki (Bern) ergänzte, man müsse akzeptieren, dass Sexarbeit ein Beruf sei. Für die FDP hielt Adrian Kneubühler (Nidau) fest, die Beurteilung der Sittenwidrigkeit unterliege einem starken Wertewandel. Er erinnerte daran, dass früher auch Konkubinatspaare als sittenwidrig galten und keine Wohnungen mieten konnten. Die Gegenseite argumentierte primär rechtlich: Alt-Oberrichter Walter Messerli (SVP, Interlaken) bezeichnete die geplante Regelung als verfassungs- und bundesrechtswidrig. Die Regierung erklärte, der Kanton habe in diesem Bereich gar keine Kompetenzen. Die EDU argumentierte auch inhaltlich: Aus ihrer Sicht würde das Ende der Sittenwidrigkeit dazu führen, dass Prostitution besser akzeptiert würde, was wiederum eine erhöhte Nachfrage bewirkte, wie ihr Sprecher Peter Bonsack (Kallnach) sagte. Nur noch mit Bewilligung In den übrigen Teilen war das neue Prostitutionsgesetz kaum mehr bestritten – mit Ausnahme der SVP, die das ganze Gesetz für unnötig hält. Sein Ziel ist ein besserer Schutz der gemäss Schätzungen 1150 bis 1800 Prostituierten im Kanton Bern, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Prävention und Information. Die wichtigste Massnahme: Alle Rotlichtunternehmer müssen künftig beim Regierungsstatthalter eine Bewilligung für ihren Betrieb einholen und diese alle fünf Jahre erneuern. Sie müssen zahlreiche Vorschriften einhalten und insbesondere garantieren, dass in ihrem Betrieb niemand zu Sex gezwungen wird. Fabian Schäfer>
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