Riesenbabys und grosse Bühnen
Rapper Knackeboul und Moderator bei Radio DRS Virus
Wir fahren durch die idyllische Berglandschaft des österreichischen Dornbirn. Der belgische Fahrer Freddy blinzelt schläfrig auf die Strasse. Chente, der eine Rapper der kalifornischen Hip-Hop-Urgesteine Delinquent Habits, spielt mir von seinem Minilaptop seine Lieblingsmusik ab, während IvesIrie, das Alphatier der Truppe, auf dem Hintersitz thront und friedlich schläft wie ein Riesenbaby (was mir ermöglicht, endlich in Ruhe diesen Text zu verfassen). Daneben der andere Riesenmensch, der Basler DJ Tray. Er guckt sich einen Film über die Mondlandung an. Es muss der 100.Film sein, den sich Tray reinzieht. Zeit dazu hat er genug, denn wir haben inzwischen sicher schon 120 Stunden eng zusammengepfercht in diesem klapprigen Tourbus verbracht. Wir sind auf Europatournee. Die Speerspitze des Latino-Hip-Hops, der belgische Fahrer, der Basler DJ und ich – der Knackeboul. In den letzten zwanzig Tagen hab ich neunzehn Konzerte gespielt, fünf verschiedene Länder bereist und etliche schäbige bis luxuriöse Hotelzimmer von innen gesehen. Ich bin in Paris, Barcelona, Kopenhagen, Berlin, Ljubliana und anderen Städten auf der Bühne gestanden und habe auf Mundart die Langenthaler Kultur «represented». Das ganze fühlt sich an wie ein Traum. Aber es ist kein schöner Traum, denn ich habe von den erwähnten Städten fast nichts gesehen. Mein Leben besteht momentan aus Fahren, Fliegen, Ankommen, Soundcheck, Essen, Konzert, CDs-Verkaufen und dem Versuch, mich von den Delinquenten nicht abfüllen zu lassen. Es ist aber auch kein Albtraum, denn ich erlebe spannende Sachen, lerne nette Leute kennen, die trotz der Sprachbarriere meine Musik verstehen, und ich stehe auf Bühnen, auf denen schon die Stars dieser Welt performt haben. Immerhin: Vor zehn Jahren war ich stolz, weil ich Flyer verteilen durfte, die ankündigten, dass die Delinquent Habits im Chrämerhuus, Langenthal, spielen würden – heute sitze ich mit genau dieser Band im Tourbus und stehe jede Nacht mit den Jungs auf der Bühne. Vor zwei Wochen hatte ich allerdings einen «day off» und kam nach Hause. Und das erste Mal seit langem habe ich mich nicht genervt, als ich sah, dass bereits wieder die Weihnachtsdekos in der Gegend rumhängen. Nein, sie lösten bei mir sogar einen Anflug von Geborgenheitsgefühl aus. Ich habe jetzt noch zwanzig Konzerte vor mir. Ich werde in Holland, Griechenland und Mazedonien spielen. Danach werde ich so was von bereit sein: für kitschige Weihnachtsidylle, für Schweizer Wälder, für Schnee und für unser gemütliches Häuschen im kleinen Langenthal. David Kohler lebt in Langenthal. Derzeit ist er mit der amerikanischen Hip-Hop-Gruppe Delinquent Habits auf Europatour. >
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