Wahl fürs SP-PräsidiumRebellion gegen «verkopfte Bling-Bling-Linke» Meyer und Wermuth
In der Romandie regt sich Widerstand gegen die beiden Deutschschweizer Mattea Meyer und Cédric Wermuth. Die Suche nach Gegenkandidaten hat begonnen.

An einem SP-Präsidium mit Mattea Meyer und Cédric Wermuth müssten Westschweizer Sozialdemokraten ihre helle Freude haben. Welsche SP-Sektionen stehen meist weiter links als die Deutschschweizer. Und auch die ehemaligen Jusos und amtierenden Nationalräte Meyer und Wermuth politisieren am linken Parteiflügel, sind scharfe Kapitalismuskritiker, lieben Provokationen, funktionieren im ständigen Kampagnenmodus und scheuen nicht vor radikalen Forderungen zurück.
Trotzdem haben grosse Teile der Westschweizer SPler mit dem Duo Meyer/Wermuth ein Problem. «90 Prozent der welschen SP-Basis wünschten sich den Walliser Mathias Reynard und die Zürcherin Priska Seiler-Graf als Co-Präsidenten und nicht Meyer und Wermuth», sagt ein bestens vernetzter Genosse aus der Romandie. Reynard sei Romand und das SP-Präsidium eine Machtposition, die die Romandie nach dem Abgang des Welschfreiburgers Christian Levrat nicht hergeben wolle.
«Eine Kandidatur fürs Präsidium ist nicht komplett ausgeschlossen.»
Dass SP-Nationalrat Reynard nun in die Walliser Regierung will und seine Kandidatur mit Seiler-Graf zurückgezogen hat, macht viele SP-Sektionen in der Romandie unzufrieden. Die Vorbehalte gehen so weit, dass hinter den Kulissen über eine welsche Gegenkandidatur nachgedacht wird.
Ein möglicher Kandidat bestätigt diese Gedankenspiele sogar öffentlich: Eine Kandidatur fürs Präsidium sei «nicht komplett ausgeschlossen», aber er werde «keine Kampagne der Kampagne wegen führen», sagt der Neuenburger Neo-Nationalrat Baptiste Hurni. Der Waadtländer Nationalrat Samuel Bendahan bestätigt, dass er sich eine Kandidatur fürs Vizepräsidium überlegt. Doch welche sind denn die Vorbehalte vieler welscher SP-Politiker gegenüber Mattea Meyer und Cédric Wermuth?
Verkopfte «Bling-Bling-Linke»
Die SP Stadt Genf führte an ihrer Generalversammlung Anfang Jahr eine Diskussion über die Kandidatenduos– in Abwesenheit der Kandidaten. Es wurde hitzig und persönlich. Das geht aus Sitzungsnotizen hervor, die dieser Zeitung vorliegen. Genfer Genossen bezeichneten Meyer und Wermuth als zu verkopft, ohne Draht zur Basis und «Bling-Bling-Linke», die in ihrem Berufsleben nichts anderes getan hätten, als Politiker zu sein. Und weil Meyer Zürcherin und Wermuth Aargauer sei und sich die Zürcherin Jacqueline Badran bereits als Vizepräsidentin ins Spiel brachte, sei die SP Schweiz schon bald ein «Zürcher Club», hiess es. Gelobt wurde Reynard, weil er als Nationalrat weiter als Lehrer unterrichte, aktiver Gewerkschafter sei, sich für die Rechte von Homosexuellen einsetze und beinahe die Wahl in den Ständerat geschafft hätte. Bei Seiler-Graf wurde ihre Regierungserfahrung als Stadträtin von Kloten hervorgehoben. (Lesen Sie hier über die Auswirkungen des Rückzugs der Kandidatur von Seiler-Graf und Reynard.)
«Die Parteileitung war gespalten, aber entschieden wurde nichts.»
Am Ende hatte sich kaum jemand für Meyer und Wermuth starkgemacht. Gleiches passierte bei einer Diskussion in der Kantonalpartei. Kantonalpräsident Gérard Deshusses versucht, der Diskussion die Wichtigkeit zu nehmen. Er sagt: «Die Parteileitung war gespalten, aber es wurde nichts entschieden.» Im Oktoberwerden Meyer und Wermuth sich und ihre Ideen der SP Genf persönlich vorstellen.
Auf die Kritik aus der Romandie angesprochen, betont Cédric Wermuth, er werde sich in Hearings der Kritik stellen. Im Übrigen sei seine Mutter Lausannerin, er habe also selbst Westschweizer Wurzeln und darum eine grosse Sensibilität für Sprachminderheiten und regionale Unterschiede. Die Schweiz sei eine Willensnation und die SP eine «Willenspartei». Für Mattea Meyer und ihn sei es darum selbstverständlich, für alle Regionen und Strömungen in der Partei da zu sein, so Wermuth.

Dennoch sähen es Genossen in Genf, aber auch in der Waadt, in Neuenburg und im Jura gerne, wenn es nach dem Rückzug von Mathias Reynard eine Westschweizer Kandidatur gäbe. Die Rede ist von einer Kandidatur für ein Co-Präsidium über die Sprachgrenzen hinweg. In der Waadt käme dafür am ehesten Samuel Bendahan, in Neuenburg Baptiste Hurni infrage. Beide sind Teil eines informellen SP-Denkkollektivs aus West- und Deutschschweizern, die in diesen Tagen in Arbeitspapieren Ideen und Erwartungen an die Partei skizzieren. Die Fragen, die sie beschäftigen, heissen: Was sind unsere Ziele für die Partei? Was erwarten wir vom künftigen Präsidium? Was bieten uns Mattea Meyer und Cédric Wermuth an?
Man teste die Visionen des Duos, führt Baptiste Hurni aus. Kommt das Denkkollektiv am Ende zum Schluss, dass die Differenzen zwischen den eigenen Ansprüchen und den Visionen der Präsidentschaftskandidaten zu gross sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Gegenkandidatur. Der Sommer könnte für die SP Schweiz noch lang werden. Gewählt wird das neue Präsidium im Oktober in Basel.

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