Rangelei auf der Bahnhofwache: Richterin muss entscheiden
Drei SBB-Transportpolizisten, zwei Angehörige der Einsatzgruppe Enzian, ein Kantonspolizist und ein kurdischer Flüchtling stehen vor Gericht. Beurteilt wird ein Vorfall, der sich im September 2011 abspielte.

Wer hat wann wen angegriffen? Vieles, was sich in dieser Nacht im September 2011 in der Bahnhofwache in Bern abspielte, ist nicht ganz klar. Der kurdische Flüchtling wurde von der Bahnpolizei angehalten, nachdem er dem Zug aus Olten entstiegen war.
Anscheinend hat der Zugchef einen Mann gemeldet, der sich einer Kontrolle entzogen hatte. Man nahm an, dass er kein Billett besass. «Das muss eine Verwechslung gewesen sein, erklärt der Kurde gestern vor Gerichtspräsidentin Bettina Bochsler.
Der erste Akt
Anfangs schien alles ruhig zu verlaufen. Der Kurde wurde in der Bahnhofwache in den sogenannten Aussackraum geführt, dort musste er den Inhalt seiner Taschen auf den Tisch legen. Der Mann habe ständig an seinem Telefon herumgemacht und es immer wieder ans Ohr gedrückt. Darum habe einer der Bahnpolizisten zu ihm gesagt, er solle das unterlassen.
Doch der Kurde reagierte nicht, gemäss seinen Aussagen hat er nicht genau verstanden, was man von ihm wollte. Der Bahnpolizist sagte aus, dass er darum den Arm des Kurden erfasst und ihn nach unten gedrückt habe. «In diesem Moment ist dieser aufgestanden und hat mich angegriffen», so der Bahnpolizist. Der zweite und der dritte kamen ihm zu Hilfe, der Kurde habe um sich geschlagen und sei nicht mehr zu beruhigen gewesen.
Darum hätten ihn die drei Bahnpolizisten und ein Dienst habender Kantonspolizist auf den Boden legen wollen. Doch das sei schwierig gewesen, denn der Kurde habe sich massiv zur Wehr gesetzt, habe geschlagen, getreten und gespuckt. Man habe ihn in Handschellen legen müssen.
Er sei von hinten angegriffen worden, und er habe sich zur Wehr gesetzt. «Das ist doch normal», sagte der Kurde. Er sei in der Türkei jahrelang im Gefängnis gesessen und habe dort physische und psychische Gewalt erlebt. «Dieser Angriff der Polizisten war für mich wie ein Déjà-vu. Ich hatte grosse Angst.»
Der zweite Akt
Die Polizisten brachten den Kurden in Handschellen in einen Warteraum, sprich in eine Zelle. Nach ein paar Minuten habe man ihm die Handschellen abnehmen wollen, um ihn danach nach Hause zu schicken. Nach einigen Versuchen konnten die Handschellen aufgemacht werden. Der Kurde habe danach jeden Polizisten angegriffen, der den Versuch gemacht habe, den Raum zu betreten.
«Ich war in Panik, erwartete Folter und fürchtete, umgebracht zu werden», erklärte er gestern sein Verhalten. Die in Aussicht gestellte Freilassung hätte ja auch eine Falle sein können, fürchtete er. Aus der Deckenbeleuchtung brach er einen spitzigen und scharfen Plexiglassplitter heraus, mit dem er herumzufuchteln begann. Er habe auf seinen Anwalt warten wollen, der aber leider nicht gekommen sei.
Der dritte Akt
Die anwesenden fünf Polizisten kamen zum Schluss, dass Verstärkung aufzubieten sei. Die Einsatzgruppe Enzian rückte an und beschloss, noch einen Versuch zu unternehmen, den Mann zu bewegen, die Plexiglasscherbe wegzulegen. Als die Beamten die Tür öffneten und mit dem Abwehrstock dafür sorgen wollten, dass der Kurde im hinteren Teil der Zelle blieb, habe dieser den Stock erfasst und mit der Scherbe in der anderen Hand angegriffen.
Darauf wurde der Taser ausgelöst, und der Kurde stürzte zu Boden. Die Geschichte wird von allen fast identisch erzählt. Der Kurde sagte gestern immer wieder, dass er sich zwar gewehrt, aber nicht zugeschlagen habe. Heute halten sechs Anwälte ihre Parteivorträge.
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