Prügel für Abgeordnete und neue Proteste
Die politischen und juristischen Wirren in Ägypten spalten die Gesellschaft: Parlamentarier werden von Anhängern der Muslimbrüder bedrängt, deren Gegner sehen den Rechtstaat in Gefahr.
Der politische Streit wird in Ägypten wieder zunehmend auf der Strasse ausgetragen – zum Teil auch mit Fäusten. Salafisten-Führer Hasim Abu Ismail kündigte in der Nacht auf heute eine «Millionen-Demonstration» in Kairo für den kommenden Freitag an. Der Protest richte sich in erster Linie gegen die vom Obersten Militärrat verabschiedeten Verfassungsgrundsätze, sagte der radikale Islamist in einer Talkshow des TV-Senders Al-Balad.
Aktivisten klagten unterdessen über die zunehmende Gewaltbereitschaft von Demonstranten. Der für seinen Kampf gegen die Korruption bekannte unabhängige Parlamentsabgeordnete Hamdi al-Fakharani erzählte in einer Talkshow des ägyptischen Fernsehsenders Dream TV unter Tränen, wie er gestern vor dem Obersten Verfassungsgericht von Demonstranten zusammengeschlagen worden sei. Anhänger des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi hätten ihn beschimpft und gefragt: «Willst du etwa, dass die ungläubigen Liberalen das Land regieren?» Im Video ist zu hören, wie die Menge Fakharani als «Dieb» beschimpft.
Proteste auf dem Tahrir-Platz
Der sozialistische Ex-Präsidentschaftskandidat Abul Ezz al-Hariri wurde seinerseits nach Angaben lokaler Medien gestern von Mursi-Anhängern gewaltsam daran gehindert, den zentralen Tahrir-Platz in Kairo zu betreten.
Dort hatten sich Tausende Demonstranten zusammengefunden, um die Wiedereinsetzung des Parlaments zu fordern. Im Stadtteil Nasr-City trafen sich zur gleichen Zeit Gegner der Muslimbruderschaft, die genau das Gegenteil forderten und sich auf die Seite des Verfassungsgerichts stellten.
Mursi kündigt Dialog an
Präsident Mursi kündigte an, er wolle den Dialog mit den politischen Kräften und der Justiz suchen, um den Streit über die Auflösung des Parlaments beizulegen. «Es wird Beratungen geben zwischen allen politischen Kräften und Institutionen sowie dem Obersten Rat der Justizbehörden, um den besten Weg aus der Situation zu finden», erklärte er heute Mittwoch in Kairo.
Weiter sagte Mursi, er werde die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichts akzeptieren. Das Oberste Verfassungsgericht hatte sich gestern erneut in den Machtkampf zwischen dem Militärrat und dem Präsidenten eingeschaltet und ein Dekret Mursis zur Wiedereinsetzung des Parlaments offiziell aufgehoben. Er respektiere diesen Beschluss, weil Ägypten ein «Rechtstaat» sei, sagte Mursi.
Politisches Machtspiel
Mitte Juni hatte das Verfassungsgericht das Wahlgesetz für die Parlamentswahl in weiten Teilen für illegal erklärt. Daraufhin löste der Militärrat das Parlament auf und übernahm selbst die Kontrolle über die Gesetzgebung. Am vergangenen Sonntag hatte sich Mursi den Anordnungen jedoch überraschend entgegengestellt und das Parlament per Dekret wieder eingesetzt.
Gestern kamen die Abgeordneten zu einer kurzen Sitzung zusammen – obwohl das Verfassungsgericht sein umstrittenes Urteil zum Wahlgesetz zuvor als «bindend» bezeichnet hatte. Mit der Entscheidung von gestern Abend stellte es sich dann erneut gegen Mursis Dekret.
SDA/ami
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