Presseschau: «Die Schweiz will keine Verbotsgesellschaft»
Die Schweizer Presse erachtet das gestrige Nein zu einem einheitlichen Rauchverbot vorwiegend als Absage an eine übertriebene Bevormundung. Vielmehr hätten die persönliche und die kantonale Freiheit gesiegt.

Die grosse Mehrheit der Schweizer Presse begrüsst das deutliche Nein des Volkes zu einem verschärften Rauchverbot. Die Kommentatoren sehen darin eine Absage an eine übertriebene Verbotsgesellschaft. Gesiegt habe sowohl die persönliche Freiheit als auch die der Kantone, selber über Regeln zu entscheiden.
- Neue Zürcher Zeitung: «Die Stimmbürger haben zwar ein hohes Sensorium für gesundheitspolitische Argumente, angesichts der übertriebenen Begehren haben sie nun aber gleichzeitig Augenmass bewiesen. Die überraschend deutliche Solidaritätskundgebung einer Mehrheit von Nichtrauchern der Minderheit von Rauchern gegenüber ist ein starkes Signal, das hoffentlich über die blosse Raucher-Thematik hinausstrahlen wird. (...) Das erfreuliche Signal vom Wochenende: Die Schweiz will keine Verbotsgesellschaft.»
- Südostschweiz: «Gebodigt wurde das ideologische Konzept der Anti-Tabak-Taliban, die einfach nicht akzeptieren können, dass auch ungesund lebende Mitmenschen eine Existenzberechtigung haben. (...) Der nächste Schritt hin zu einer genussfeindlichen Schweiz, deren Einwohnerinnen und Einwohner fremdgesteuert ‹gesund› leben, wurde verhindert. Vorerst.»
- Neue Luzerner Zeitung: «Nirgendwo sonst war der Anteil der Skeptiker höher als in den traditionell freiheitsliebenden Urkantonen. Das zeigt, dass die Initiative (...) nicht in erster Linie als Massnahme zur Förderung der Gesundheit von Servicepersonal verstanden wurde. Sondern als Versuch, das Rauchen generell zu verbieten – und damit als ein Angriff auf die persönliche Freiheit.»
- St. Galler Tagblatt: «Vielmehr mögen die St. Galler es im eigenen Kanton offenbar gerne, wie es ist: In einer Umfrage äusserten sich fast 90 Prozent der Befragten zufrieden (...). Den Nachbarn dreinreden wollen sie aber offenbar nicht. (...) Mitgespielt haben mag auch die Furcht vor einem Ja, das den Weg für weitere Verbote bereitet hätte.»
- Berner Zeitung: «Die klare Ablehnung der Initiative für ein restriktiveres Rauchverbot ist kein Sieg der Raucher über die Nichtraucher, kein Sieg der Vernunft über die Unvernunft. Auch die Tabakbranche kann sich den Abstimmungsausgang nicht auf die Fahne schreiben. Vielmehr ist er ein Zeichen der Toleranz der Mehrheit gegenüber einer Minderheit und des Respekts vor der Souveränität der Kantone. Mitgespielt bei der Meinungsfindung hat sicher auch der Unmut vieler Schweizer Bürgerinnen und Bürger über die Tendenz des Staates, alles Mögliche und Unmögliche zu regeln und dabei die Freiheit des Einzelnen einzuschränken.»
- Aargauer Zeitung: «Der Gesellschaftstrend ist eindeutig – bis vor nicht allzu langer Zeit waren rauchfreie Restaurants, rauchfreie Züge oder rauchfreie Büros undenkbar. Grosse Veränderungen jedoch geschehen eben meist nicht mit Zwang und einem Knall, sondern schleichend. Dann, wenn die Bevölkerung bereit ist dafür.»
- Der Landbote: «Kaum ein Thema im Abstimmungskampf war das Hauptanliegen der Initianten: der Schutz von mehreren Tausend Angestellten in der Gastronomie, die in ihrem Arbeitsalltag noch immer dem Zigarettenrauch anderer ausgesetzt sind. Trotz des klaren Neins zur Initiative muss der Schutz dieser Menschen, die in der Regel auch sonst nicht zu den Privilegierten gehören, ein Thema bleiben.»
- La Liberté: «Mehr noch als mit der Wahrung des Föderalismus lässt sich das Scheitern der Initiative (...) durch das Gefühl erklären, den Bogen nicht überspannen zu wollen. Das seit Mai 2010 geltende Bundesgesetz bewährt sich bestens.»
- Quotidien Jurassien: «Das Volk hat die Eigenverantwortung bevorzugt und die beachtlichen Fortschritte in Sachen Höflichkeit, derer man die Raucher lange für unfähig hielt. (...) Jeder scheint in der aktuellen Gesetzgebung sein Glück gefunden zu haben.»
- Tribune de Genève: «Die grosse Mehrheit der Bürger befürwortet die Verbannung der Glimmstengel aus dem öffentlichen Raum. Nur das Timing, zu kurz auf vorherige Verbote folgend, war schlecht. Das Votum der Stimmbürger wird den forcierten Kampf im Namen des Gesundheitsschutzes nicht bremsen.»
- Le Temps: «Das Argument der Freiheit der Kantone, im Rahmen der nationalen Regeln eigene Gesetze zu erlassen, hat sicherlich schwer gewogen.»
- Le Courrier: «Das deutliche Nein markiert das Ende einer Phase der Verschärfung während der letzten Jahre. (...) Die Lungen von Zehntausenden von Bistroangestellten warten weiter auf bessere Tage.»
SDA/rbi
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