Präsidentenwahl in Italien: Abgeordnete geben leere Zettel ab
Krise und kein Ende: In Italien ist in den ersten zwei Wahlgängen kein neuer Staatspräsident gewählt worden. Die politischen Lager spekulieren auf einen vierten Wahlgang.
In Italien ist die Wahl eines neuen Staatspräsidenten in den ersten beiden Runden gescheitert. Der als Favorit geltende Franco Marini ein früherer Gewerkschaftsführer und Senatspräsident – erreichte nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. In der zweiten Wahlrunde gaben die meisten Abgeordneten leere Wahlzettel ab, um sich mehr Zeit für die Ausarbeitung einer neuen Strategie zu sichern. Ab der vierten Runde ist nur noch eine einfache Mehrheit für die Wahl eines Kandidaten nötig, was die Wahl eines Wunschkandidaten einer Seite erleichtert.
Die zunächst gescheiterte Wahl eines Nachfolgers für den scheidenden Präsidenten Giorgio Napolitano spiegelt nach Meinung von Beobachtern die schwierige Lage in Italien nach dem knappen Ausgang der Parlamentswahlen vom Februar wider. Allerdings hiess es vor der ersten Runde der Präsidentenwahl am Donnerstag, dass sich die beiden grossen politischen Rivalen, Pier Luigi Bersani vom Mitte-Links-Bündnis und der Konservative Silvio Berlusconi, auf Marini geeinigt hätten.
Bersani-Lager zersplittert
Das Bersani-Lager gilt jedoch als zersplittert. Die drittgrösste politische Kraft des Landes nach den Wahlen vom Februar, die Protestbewegung «Fünf Sterne» unter Führung von Beppe Grillo, setzte zudem auf einen eigenen Kandidaten.
Die Amtszeit von Napolitano läuft im Mai aus. Die Wahl eines Nachfolgers gilt als erster Schritt, um das Land aus der politischen Krise herauszuführen. Der neue Präsident muss entweder die Parteien nach dem äusserst knappen Wahlausgang zur Bildung einer Regierung bewegen oder Neuwahlen ausrufen.
Wahlsieger Bersani war vor Ostern mit dem Versuch gescheitert, eine Regierung zu bilden. Vor dem Parlament in Rom versammelte sich am Donnerstag eine grosse Menschenmenge, die gegen den Stillstand in der italienischen Politik demonstrierte.
«Kandidat aus dem vergangenen Jahrhundert»
Der linke Spitzenpolitiker Pier Luigi Bersani und sein konservativer Gegenspieler Silvio Berlusconi hatten sich nur Stunden vor dem ersten Wahlgang auf den 80-jährigen Marini als ihren Kandidaten für die Nachfolge Giorgio Napolitanos, dessen Amtszeit Mitte Mai endet, geeinigt.
Allerdings spaltete dieser Schritt das Mitte-Links-Bündnis Bersanis. Marini ist zwar wie Bersani Mitglied der sozialdemokratischen PD, gehört aber zu deren christdemokratischem Flügel.
Bersanis parteiinterner Widersacher, der 38-jährige Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, lehnte Marini als «Kandidat aus dem vergangenen Jahrhundert» ab. Vor dem Parlament demonstrierten am Donnerstag vor allem junge Leute gegen Marini.
Politische Beobachter vermuteten, dass einige Mitte-links-Abgeordnete aus Protest für Stefano Rodota stimmten, dem Kandidaten der Fünf-Sterne-Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo. Auf Rodota entfielen 240 Stimmen. Mehr als 100 Stimmzettel waren ungültig oder Enthaltungen.
Neuer Präsident könnte Neuwahlen ausrufen
Die Wahl des Staatspräsidenten könnte den Weg zu vorgezogenen Neuwahlen freimachen: Der scheidende Präsident Napolitano darf nämlich laut der italienischen Verfassung in den letzten sechs Monaten seiner Amtszeit keine Neuwahlen ansetzen.
Italien steckt seit der Parlamentswahl vor rund sieben Wochen in einer politischen Sackgasse. Die PD hat zwar eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, jedoch nicht im Senat. Bersani war nach der Wahl mit dem Versuch gescheitert, sich eine breite Mehrheit zu sichern. Er hatte eine Koalition mit Grillos Protestbewegung angestrebt, die dieser aber mehrfach ablehnte.
Berlusconi wiederum hatte Bersani mehrfach eine grosse Koalition angeboten, was dieser ablehnte. Beobachter gehen davon aus, dass Bersani mit einem Schulterschluss bei der Präsidentenwahl beim Mitte-rechts-Bündnis die Bereitschaft zur Tolerierung einer Minderheitsregierung seines Mitte-Links-Bündnisses fördern will.
An der Wahl des Staatschefs nehmen in Rom insgesamt 1'007 Wahlmänner und -frauen teil. Es sind dies die 630 Abgeordneten und 319 Senatoren (darunter vier Senatoren auf Lebenszeit) sowie 58 Delegierte aus den 20 italienischen Regionen.
sda/AP/mw/vin/mrs
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