Postauto-Untersuchung enthüllt Millionenverluste bei Publibike
Die Tochterfirma von Postauto bekommt die Subventionsaffäre des Mutterkonzerns zu spüren.

Sie überrollen derzeit Bern und Zürich: die kleinrädrigen Velos der Firma Publibike. An jeder Ecke werden Ausleihstationen für Velo Bern oder Züri Velo errichtet. In Zürich ist das System seit April in Betrieb, in Bern wurde es am Donnerstag offiziell eröffnet. Die Feierlaune ist aber nicht ungetrübt. Überschattet wird sie vom Skandal um die unrechtmässig bezogenen Subventionen bei Postauto. Denn Publibike ist ein Tochterunternehmen von Postauto.
Wegen des Postauto-Skandals verlor Publibike bereits seinen Verwaltungsratspräsidenten. Roman Cueni war Mitglied der Geschäftsleitung von Postauto. Wie alle anderen Geschäftsleitungsmitglieder von Postauto wurde er Anfang Juni per sofort freigestellt. «Wir sind dennoch handlungsfähig», sagt Bruno Rohner, Geschäftsführer von Publibike. Im Moment werde mit der Post geprüft, wie man bei der Besetzung der Stelle vorgehen wolle.
3,8 Millionen Verlust
Der Postauto-Skandal wirft aber auch ein ungünstiges Licht auf die Finanzen von Publibike. Der Grund: Im Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard zur Aufarbeitung der Affäre kommt an einer Stelle auch Publibike vor. Die Passage zeigt, dass bei Publibike in den Jahren 2012 bis 2015 ein Verlust von 3,8 Millionen Franken anfiel. Die Zahlen für die Jahre 2016 und 2017 will Publibike nicht bekannt geben.
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Am 11. Juni 2018 äusserte sich Bundesrätin Leuthard zum Postauto-Skandal geäussert. Video: Tamedia
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Die Verluste werfen Fragen auf: Woher hat Publibike das Geld, um über so viele Jahre Verluste einzufahren und weiter investieren zu können? Hat das Unternehmen von den Subventionstricks von Postauto profitiert? Floss also zu Unrecht bezogenes Steuergeld in das Veloverleihsystem?
Bei der Medienstelle der Post heisst es, es gebe «keine direkten Geldflüsse von Postauto zu Publibike». Die Investitionen gebe nicht Postauto, sondern die Post frei. Publibike habe einen Kreditvertrag mit der Post und werde zu Marktkonditionen finanziert. Für eine Querfinanzierung durch Postauto gebe es «bisher keinerlei Hinweise». «Sollte sich dies ändern, würden wir dies weiter abklären», so ein Post-Sprecher. Rohner bestätigt das.
Für eine Quersubventionierung durch Postauto gebe es «bisher keinerlei Hinweise», sagt die Post.
Die Verluste in den früheren Jahren erklärt der Publibike-Geschäftsführer damit, dass der Fahrradverleiher damals noch ein anderes Geschäftsmodell verfolgt habe. Das Unternehmen setzte zunächst auf kleinere Velonetze, etwa in Monthey VS oder Aigle VD. Da die Velos von Publibike immer zu einer Abgabestation zurückgebracht werden müssen, sei ein kleines Netz mit wenigen Standorten aber ungeeignet. Zudem sei die damalige Infrastruktur kostspielig gewesen, sagt Rohner. Der Erfolg der Leihräder blieb aus.
Vor einigen Jahren entschied sich Publibike daher zu einem Strategiewechsel. Jetzt plant die Postauto-Tochter grosse Netze, entwickelte ein neues System und bewarb sich auf die Ausschreibungen in Bern und Zürich. Publibike erhielt an beiden Orten den Zuschlag. Doch in beiden Städten focht der unterlegene Konkurrent Intermobility, der hinter dem Bieler System Velospot steht, den Entscheid an. Es folgten jahrelange Gerichtsverfahren. Der Start von Publibike zögerte sich hinaus. In Zürich etablierten sich derweil diverse private Anbieter wie O-Bike, Smide oder Lime. O-Bike zieht sich nun wieder zurück.
O-Bike nicht aus dem Markt gedrängt
Hat Publibike den Wettbewerber aus dem Markt gedrängt? Publibike-Chef Rohner verneint das. O-Bike ziehe sich aus ganz Europa zurück, erläutert er, das habe mit dem Markteintritt von Publibike nichts zu tun.
Die Städte, die das Publibike-System bestellt haben, bezahlen dafür grundsätzlich nichts. Zwar hat Bern anders als Zürich eine Person zu 50 Prozent eingestellt. Sie kümmert etwa um Anfragen von Quartieren, die eine Ausleihstation möchten. Die Velos und den Bau der Ausleihstationen bezahlt Publibike.
Geld verdienen will das Unternehmen mit den Einnahmen aus dem Veloverleih. Weitere Umsätze sollen die Werbeflächen einbringen, die am Lenkerkorb angebracht sind, sowie Sponsorenbeiträge. So können etwa Unternehmen für einen Pauschalbeitrag eine Velostation für die Mitarbeitenden bestellen. Der Publibike-Chef ist zuversichtlich, dass es nun aufwärtsgeht. «Das Ziel ist, bis in drei Jahren schwarze Zahlen zu schreiben», sagt er.
Zweifel am Geschäftsmodell
Ein Kenner der Veloverleihbranche, Philip Douglas, glaubt nicht, dass dies gelingen wird. «Publibike wird in der heutigen Form nie in die schwarzen Zahlen kommen», sagt er. «Dazu brauchte es Nutzerzahlen, die das Unternehmen kaum erreichen wird.» Douglas hat die Velomarke Simpel gegründet, er hat Leihvelos nach Lausanne, Biel, Thun, Mainz und Kassel geliefert und in Katar ein Veloverleihsystem aufgebaut. Und er hat die Leihvelofirma Velobility aufgebaut, die auch das neue Publibike mit Velos beliefern wollte. Doch die Postauto-Tochter lehnte ab. Damit sei der Heimmarkt für Velobility blockiert gewesen, sagt Douglas. Drei Tage später meldete Velobility Insolvenz an.
Douglas geht mit Publibike hart ins Gericht: Die Postauto-Tochter habe alles selbst machen wollen. So habe sie teuer ein Schloss entwickeln lassen, obwohl es am Markt schon günstige und bewährte Modelle gegeben habe. Dasselbe gelte für die Velos. Publibike-Chef Rohner widerspricht: Ein pfannenfertiges System habe es nicht gegeben. Bei Leihvelos handle es sich um einen sehr spezifischen Markt. Publibike habe daher zunächst geeignete Lieferanten suchen müssen.
Douglas zweifelt gar daran, ob Bikesharing per se überhaupt ein Geschäftsmodell sei. «Im Ausland investieren digitale Riesen wie Alibaba, Google oder Uber grosse Summen in Bikesharingsysteme.» Kurzfristig gehe es ihnen dabei aber nicht darum, mit dem Veloverleih selbst Geld zu verdienen. Das Velo sei nur ein Weg, um die eigene App auf den Smartphone-Bildschirmen der Nutzer zu platzieren.
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