Polizeipräsenz bei der Reitschule: Prävention oder Provokation?
Die präventive Präsenz der Polizei auf der Schützenmatte wertet die Reitschule als Provokation. Stadt und Polizei wollen trotz Eskalation am Samstag an der Strategie festhalten.
Lange war es ruhig rund um den sozialen Brennpunkt Reitschule. Das letzte Mal geriet das umstrittene Kulturzentrum in die Schlagzeilen, als es mit sich selbst beschäftigt war. Im Frühling hatte ein Kollektiv innerhalb der linksautonomen Szene kurzzeitig die Grosse Halle besetzt.
Mitten in diesen ruhigen Monaten kam es am Samstagabend zu ausgedehnten und heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und einer gewaltbereiten Minderheit innerhalb der Reitschule-Szene. Die Bilanz: acht Festnahmen und vier Verletzte, darunter sind drei Polizisten.
Mittlerweile konnten zwei Polizeibeamte das Spital wieder verlassen. Ob sie wegen der Feuerwerkskörper einen bleibenden Gehörschaden davontragen, ist laut Polizei offen. Der Dritte von ihnen habe ein Hämatom erlitten, wie es gestern hiess.
Neue Strategie der Prävention
Am Ursprung der Krawallnacht stand eine Polizeipatrouille. Laut Kantonspolizei und Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) drehten vier Polizisten in Leuchtwesten ab 20 Uhr ihre Runden im Bereich Schützenmatte. Mit «präventiver Präsenz» begründet die Kantonspolizei den Einsatz.
Dahinter steckt eine neue Strategie. Im Frühling gab die Polizei bekannt, dass sie vermehrt in städtischen Ausgehvierteln wie der Aarbergergasse oder der Schützenmatte Präsenz markieren wolle. Der Hintergrund: Fälle von schwerer Körperverletzung nach ausschweifenden Partynächten hatten sich in Bern gehäuft.
Am Samstag entzündeten sich an einer solchen Polizeipatrouille verbale Gehässigkeiten seitens einer Reitschule-Gruppierung. Danach gehen die Schilderungen auseinander. Die Kantonspolizei gibt an, Verstärkung in Vollmontur sei erst angerückt, nachdem es zu Flaschenwürfen gekommen war. Währenddessen schreibt die Reitschule in ihrer Stellungnahme: «Zu tätlichen Auseinandersetzungen kam es erst, als die Polizei Gummigeschosse und Reizgas einsetzte.»
Ausserdem sei schon früh am Abend eine Vielzahl an Einsatzkräften in Vollmontur in der Hodlerstrasse bereitgestanden. Die Reitschule sieht deshalb die präventive Präsenz als «Vorwand zur gezielten Eskalation». Dass diese Woche Gespräche zwischen der Stadt Bern und der Reitschule stattfänden, sei sicher kein Zufall. Zwischen den Zeilen soll das wohl heissen: Die Polizei provozierte absichtlich eine Eskalation, um den Kulturbetrieb in Misskredit zu bringen.
Eine Behauptung, welche die Gegenseite weit von sich weist. Die Kantonspolizei bestätigt zwar, dass Kastenwagen in der Hodlerstrasse stationiert waren, «jedoch erst nachdem die Patrouille verbal angegangen und mit Wasserballons beworfen worden war», wie Sprecherin Jolanda Egger ausführt. «Dies war lediglich eine Vorsichtsmassnahme», sagt sie. Wie so oft nach Polizeieinsätzen bei der Reitschule gehen die Darstellungen auseinander.
Auch Reto Nause wehrt sich vehement gegen die Provokationsvorwürfe: «Die Polizei patrouillierte diesen Sommer bereits mehrfach auf der Schützenmatte sowie an allen anderen Hotspots des Nachtlebens.» Es gehe nicht, die Reitschule aus Angst vor einer Eskalation davon auszunehmen, denn: «Rechtsfreie Räume darf es nicht geben.» Nause betont, dass man auch nach den Ausschreitungen an der Strategie der präventiven Präsenz festhalten werde.
Bodycams kommen aufs Tapet
Die Scharmützel vom Samstag bringen eine bekannte Forderung wieder aufs Tapet: jene nach Bodycams. Den Einsatz von Minikameras an den Körpern von Polizisten fordert Reto Nause bereits seit längerem. Nun hat SVP-Stadtrat Henri-Charles Beuchat eine Motion eingereicht, welche ein Pilotprojekt fordert.
Zudem solle zusammen mit dem Regierungsrat die rechtliche Grundlage zum Einsatz von Bodycams geschaffen werden. Heute sind im Kanton Bern Filmaufnahmen bei öffentlichen Veranstaltungen nur möglich, wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt, dass es zu strafbaren Handlungen kommen könnte – etwa bei unbewilligten Kundgebungen.
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