Polizei führte Tibet-Demonstranten ab
Ausnahmezustand in Bern: Anlässlich des Staatsbesuchs des chinesischen Präsidenten Xi Jinping wurden Teile der Innenstadt hermetisch abgeriegelt. Die Polizei führte insgesamt 32 Aktivisten ab.
Es ist ein Staatsbesuch, der für Aufsehen sorgt: Am Sonntag und Montag weilt der chinesische Präsident Xi Jinping auf Staatsbesuch in der Schweiz. In Bern herrschte deshalb am Sonntag Ausnahmezustand.
Die ganze Achse vom Casino-Parking bis zur Christoffelgasse – rund 500 Meter - war komplett gesperrt, inklusive Bundesplatz. Kurzzeitig war am Nachmittag gar der Bärenplatz gesperrt.
Erstmals kamen rund um den Bundesplatz gar Betonelemente zum Einsatz, die für zusätzliche Sicherheit sorgen sollten. Das Polizeiaufgebot war immens. Über der Innenstadt kreisten mehrere Hubschrauber, darunter ein Super-Puma der Schweizer Armee. Die Kantonspolizei Bern fuhr Wasserwerfer auf.
Polizei nimmt Tibet-Aktivisten auf dem Berner Bärenplatz fest.
Vor der Ankunft von Xi Jinping versuchten am frühen Nachmittag mehrere Demonstranten, auf den abgesperrten Bundesplatz zu gelangen. Die Aktivisten wurden jeweils von der Polizei zurückgewiesen.
Im Raum Spitalgasse/Bärenplatz protestierten wenig später 14 junge Aktivisten unbewilligt auf dem Bärenplatz. Sie forderten die Unabhängigkeit Tibets und die Schweiz auf einem Transparent auf, nicht «mit Mördern zu verhandeln». Sie wurden nach gut einer Dreiviertelstunde verhaftet und abgeführt.
Die Aktivisten gehörten dem Verein Tibeter Jugend in Europa VTJE an, der wesentlich radikalere Töne anschlug als seine Landesgenossen am Morgen. Die Mitglieder warfen den Behörden vor, Tibeter in der Schweiz zu zensieren und undemokratisch zu handeln.
«Unsere politischen Ideen als schweizerische Nation werden an China verkauft für einen kurzfristigen wirtschaftlichen Handel, der es offensichtlich nicht wert ist», sagte Migmar Dhakyel, Mediensprecherin der Aktionsgruppe der Nachrichtenagentur sda.
Der Bärenplatz ist abgeriegelt, darüber ist ein Super-Puma-Helikopter der Schweizer Armee. Video: Jürg Spori
Aktivisten gelangten hinter Polizeisperre
Am späteren Nachmittag gelang es über 20 Demonstranten, an der Polizeisperre vorbei auf den zwischenzeitlich abgeriegelten Bärenplatz zu kommen. Die Aktivisten schafften es jedoch nicht auf den Bundesplatz, sie wurden von der Polizei zurückgedrängt. Mehrere Demonstranten wurden daraufhin von der Polizei abgeführt.
«Kommt vom Brunnen runter!» Die Polizei fordert Aktivisten mittels Lautsprecher dazu auf, vom Brunnenrand herunterzusteigen. Video: Jürg Spori
Autofahrer, Fussgänger und sogar der ÖV mussten weichen. Die Polizei führte an den Zugängen zum abgesperrten Sektor Personen- und Fahrzeugkontrollen durch. In der ganzen Innenstadt mussten Passanten aus Sicherheitsgründen damit rechnen, kontrolliert zu werden. Es waren Zustände, wie man sie vom Weltwirtschaftforum WEF in Davos kennt.
Am späten Nachmittag normalisierte sich die Situation. Seit 16.45 Uhr ist der Bärenplatz für Passanten wieder geöffnet, auch die Achse Casino-Parking – Christoffelgasse wurde wieder dem Verkehr übergeben. Wie die Kantonspolizei Bern am Sonntagnachmittag mitteilte, wurden im Zusammenhang mit dem chinesischen Staatsbesuchs während des ganzen Tages insgesamt 32 Personen abgeführt und in polizeilichen Räumen kontrolliert.
Früher Sonntagnachmittag: Ein Wasserwerfer der Kapo Bern fährt in der Innenstadt auf. Video: Jürg Spori
Rytz: Sicherheitsvorkehrungen übertrieben
Der chinesische Präsident dürfte die Protestrufe kaum gehört haben. Dafür sorgten die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen der Stadt Bern, für die es im Vorfeld grossflächig Kritik hagelte.
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International bemängelten, dass die Demonstration nur weit abseits des Bundeshauses und nur vor dem Eintreffen des Präsidenten erlaubt wurde.
Auch Grünen-Nationalrätin Regula Rytz bezeichnete die Sicherheitsvorkehrungen als übertrieben. Sie würde die Gepflogenheiten der Schweizer Demokratie unterschlagen, sagte sie gegenüber der sda.
Das wichtigste sei jedoch, dass die Argumente der Demonstranten gehört werden. Rytz ist Mitglied der parlamentarischen Gruppe Schweiz Tibet und war eine der Sprecherinnen an der Demonstration. Auch GSTF-Präsident Büchli ist überzeugt: «Die verlängerten Ohren Xi Jinpings hören uns bestimmt bis zum Waisenhausplatz.»
Belastende Vorgeschichte
Es ist eine belastete Vorgeschichte, die mit den Visiten der chinesischen Staatsführung einhergeht. Für den Gastgeber ein Spagat zwischen Grundrechten wie der Meinungsäusserungsfreiheit und der Gastfreundschaft. 1999 löste ein Staatsbesuch eine mittlere Staatskrise aus.
Pro-Tibet-Demonstranten, die auf das Dach der UBS geklettert waren, hissten in Sichtweite des damaligen chinesischen Staatspräsidenten ihre Transparente. Dieser war derart erzürnt, dass er den Empfang vor dem Bundeshaus ausfallen liess. «Sie haben einen guten Freund verloren», stauchte er die damalige Bundespräsidentin Ruth Dreifuss zusammen.
2009: Um einen erneuten Eklat zu vermeiden, liess der Berner Gemeinderat während eines Arbeitsbesuches der Chinesen kurzerhand 50 Tibeter verhaften, die zuvor friedlich demonstriert hatten. Dafür hagelte es Kritik.
SDA/jsp/chh/tma
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