«Plötzlich musste jemand als Pächter unterschreiben»
Der Bülacher Stadtpräsident ist seit fast 30 Jahren Rebbauer in Hüntwangen. Der Wein, der weitherum als Gruebewy bekannt ist, gilt als einer der Besten im Zürcher Unterland.
Politiker auf dem Gartenstuhl (4) In der TA-Sommerserie stellen sie ihre ungewöhnlichen Hobbys vor Von Fahrettin Calislar Hüntwangen – Am Anfang war ein Loch: der Tunnel durch den Milchbuck. Damals, vor rund 30 Jahren, rekultivierte Walter Bosshard, Vermessungstechniker und Ressortchef Rohstoffe und Planung beim Bauunternehmen Holcim, eine Kiesgrube in Hüntwangen. Diese war mit 700 000 Kubikmeter Aushub des Tunnels aufgefüllt worden. Bosshard kam auf die Idee, das Gebiet mit dem Auffüllmaterial mit einem Rebberg zu bepflanzen. Er fand vier Interessierte, die sich an der Bewirtschaftung der 365 Aren Wein beteiligen wollten. «Plötzlich musste jemand als Pächter unterschreiben, und der einzige Mögliche war ich», erinnert er sich. Er unterschrieb. Der Rest ist Geschichte. Diejenige des «Hüntwanger Gruebewy». Bis zu seiner kürzlich erfolgten Pensionierung waren die Reben eines von vielen Hobbys, denen Bosshard nachging. Er wurde zum Stadtpräsidenten von Bülach gewählt, ein 80-Prozent-Job, wie er schätzt. Einige Hobbys musste er zurückstellen, der Rebberg blieb. «Es ist nun einfacher als früher», sagt er. Denn im Gegensatz zu früher verteilt sich die «Arbeit» im Rathaus in den Abend und in die Wochenenden. Da bleibt ihm genug Zeit, in seinen 60 Aren zu wirken. Und dort gibt es Arbeit genug: Im Winter schneidet er seine Stöcke zurecht. «Ich habe dafür immer eine Rebschere im Auto.» Bei jeder Gelegenheit fährt er hinaus, um ein paar Stunden zwischen seinen Reben zu verbringen. Im Frühling und Sommer müssen die Reben gepflegt werden. Was zu viel an den Stöcken ist, wird herausgebrochen. «Die Trauben sollen frei hängen können», erklärt der Fachmann. Ohne das intensive Mitwirken seiner Familie und von Kollegen wäre es aber nicht möglich, den Rebberg zu bewirtschaften. «Mit so viel Hilfe kommt man zügig voran.» Der Lohn wird in «Naturalien» in Form von Wein ausbezahlt. Bei 600 Arbeitsstunden Jahresleistung wäre das allein nicht zu bewältigen. Handwerklich tätig und zugleich in der Natur draussen zu sein – das ist eine Kombination, die Bosshard gefällt: «Die einen gehen in ihrer Freizeit in den Wald, ich gehe in die Reben.» Rebbau ist keine Hexerei Von Haus aus hatte Bosshard mit Rebbau eigentlich nichts am Hut. Kaum spontan zum Rebbauern gemacht worden, widmete er sich seinem neuen Hobby. Er belegte einen Kurs, der ihn das ganze Jahr über begleitete. Eine normale Lehre als Rebbauer dauert vier Jahre. Ihm kam entgegen, dass zwei der Genossenschafter Landwirte sind. Deshalb sagt Bosshard: «So eine Hexerei ist es denn auch nicht.» Wer von aussen hineinschaue, dem käme es natürlich schnell einmal kompliziert vor. «Die einen staunen, für andere ist es eine Selbstverständlichkeit.» Von den ursprünglich fünf Kollegen sind drei geblieben, die den Rebberg untereinander aufgeteilt haben. Zur Pachtfläche gehört auch ein Rebhaus, das mit den Jahren mit einer Einstellhalle ergänzt wurde. Dass Bosshard und seine Freunde dabei nicht viel falsch gemacht haben können, zeigt sich an den Auszeichnungen, die der Gruebewy schon bekommen hat. So erhielt der Blauburgunder (Pinot noir) 2007 aus der Kiesgrube eine Goldmedaille und liess rund 300 Weine aus der ganzen Deutschschweiz hinter sich. Rund zwei Drittel des hergestellten Weines sind die für die Region typischen Blauburgunder. Die Weinkennerin der «Schweizer Familie», Chandra Kurt, schrieb: «Wenn Sie das nächste Mal im Milchbucktunnelstau stecken, beruhigt vielleicht der Gedanke an den Rebberg in Hüntwangen.» Unterländer zu Gast Selten kann Bosshard seine beiden «Hüte», die Politik und den Rebbau, zusammenbringen. Diesen Herbst hat er aber eine gute Gelegenheit dazu: Er hat gewissermassen als Götti geholfen, die Unterländer Weinmesse aus der Taufe zu heben. Und das ging so: Die Aussteller der Bülimäss verzichten dieses Jahr auf die Stadthalle als Standort. Gleichzeitig suchten die regionalen Weinbauern eine Möglichkeit, ihre Produkte einer breiten Öffentlichkeit vorstellen zu können. Bosshard vermittelte ihnen kurzerhand die Stadthalle. Nun findet parallel zur Bülimäss eine Weinmesse statt, und zwar in der ganzen Stadthalle. 30 Weinbauern aus dem Zürcher Unterland nehmen an diesem «Zürcher Unterländer Wine Happening» teil, als Höhepunkt wird die Weinprinzessin gekürt. «Diese Chance haben wir nun gepackt», sagt Bosshard und lächelt. Er hofft nun, dass die Weinmesse jedes Jahr in Bülach steigen kann. Vorgestellt wird dabei auch der Hüntwanger Gruebewy. www.gruebewy.ch Wenn er Gäste hat, kann Walter Bosshard stolz mit einem Glas seines eigenen Weins anstossen. Foto: Gesa Lüchinger
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