Terrorprozess in FrankfurtPlante Franco A. ein Attentat unter falscher Flagge?
Ein rechtsextremer Bundeswehroffizier gab sich als syrischer Flüchtling aus und wollte prominente deutsche Politiker ermorden, so der Verdacht des Bundesanwalts. Doch kann er ihn auch beweisen?

Dieser Fall gibt viele Rätsel auf. Warum versteckte Franco A. eine geladene Pistole auf einer Behindertentoilette im Wiener Flughafen? Wieso gab sich der deutsche Berufsmilitär 16 Monate lang als syrischer Flüchtling aus? Und die entscheidende Frage: Plante er einen Umsturz in Deutschland nur im Kopf oder auch in Wirklichkeit?
Als vor vier Jahren der damals 27-jährige deutsche Oberleutnant Franco A. verhaftet wurde, reagierte die Öffentlichkeit mit einer Mischung aus Verblüffung und Erschrecken. Die Ermittler warfen A. vor, er habe als falscher Flüchtling ein Attentat auf deutsche Politiker begehen wollen, um Hassgefühle gegen Einwanderer zu wecken und einen Bürgerkrieg anzuzetteln.
Eine doppelte Staatsaffäre
Der Verdacht löste eine doppelte Staatsaffäre aus: Das Bundesamt für Flüchtlinge sah sich der Peinlichkeit ausgesetzt, einem Betrüger auf den Leim gegangen zu sein, die Bundeswehr dem Vorwurf, in ihren Reihen tummelten sich Rechtsextremisten.
Vier Jahre nach seiner Verhaftung steht Franco A. ab Donnerstag in Frankfurt am Main vor Gericht. Neben verschiedenen Waffendelikten und Betrug wirft die Anklage ihm die «Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat» vor, einen Terrorplan also. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.
Rechtsextreme Gesinnung
Ursprünglich ermittelte der Generalbundesanwalt zudem gegen zwei mutmassliche Komplizen und zwei Unterstützer; diese Verfahren wurden aber eingestellt. Und zum Prozess gegen A. kommt es auch nur, weil die Bundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof mit einer Beschwerde gegen den Frankfurter Staatsschutzsenat erfolgreich war, der die Anklage wegen Terrors eigentlich nicht zulassen wollte.
Aus privaten Aufzeichnungen, Sprachmemos und Chatnachrichten, über die mehrere Medien berichteten, geht hervor, dass der hochintelligente A. seit seiner Jugendzeit rechtsextremistische Überzeugungen pflegte. Mit dem Wunsch, sein Vaterland zu retten, wurde er Berufsmilitär, studierte an einer französischen Elite-Militärakademie und wurde Offizier.

Seine Masterarbeit nutzte er zu einem rechtsextremistischen Pamphlet auf 169 Seiten: Die Einwanderung fremder Menschen und die Vermischung der Rassen führe zu einem Genozid am deutschen Volk, schrieb A. Wehre es sich nicht gegen die von Juden betriebene Weltverschwörung, sei es dem Untergang geweiht.
A.s Gutachter waren entsetzt und lehnten die Arbeit ab, gaben ihm aber, ohne zu zögern, eine zweite Chance. Der Militärische Abschirmdienst der Bundeswehr, der von Amtes wegen gegen Extremismus in seinen Reihen vorgeht, wurde über die rassistische Gesinnung des Offiziersanwärters nicht informiert.
Mitten in der «Prepper»-Szene
Zurück in Deutschland, nahm A. ab 2015 Kontakt mit einem geheimen Netzwerk von Rechtsextremisten auf, das Dutzende von einwanderungsfeindlichen Elitesoldaten und -polizisten in ganz Deutschland verband. In ihrem Zentrum stand ein Mann der Bundeswehr-Kommandotruppe KSK namens «Hannibal».
Das Ziel der Gruppe war es, sich auf den angeblich bevorstehenden Zusammenbruch der sozialen Ordnung vorzubereiten. A. nahm an mehreren Treffen teil und begann, in seinem Keller selbst ein Waffenarsenal aufzubauen: Die Ermittler stellten bei seiner Verhaftung mehrere Waffen, mehr als 1000 Schuss Munition, Teile von Handgranaten, Anleitungen zum Bombenbau sowie zum städtischen Guerillakrieg sicher.

Auf Zetteln fand die Polizei Listen mit Namen, die aus Sicht der Anklage Anschlagsziele bezeichneten: den damaligen sozialdemokratischen Justizminister Heiko Maas etwa, die grüne Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth oder die jüdische Rechtsextremismusexpertin Anetta Kahane. Letztere hat A. in Berlin auch ausgespäht.
Im Dezember 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, gab sich A. selbst als Flüchtling aus. Den Behörden machte er weis, er sei ein französischsprachiger Christ aus Syrien, deswegen spreche er kein Arabisch – und die Beamten glaubten ihm. Er erhielt zwar kein Asyl, aber subsidiären Schutz, eine Unterkunft (die er kaum je bewohnte) und finanzielle Unterstützung, insgesamt 10’000 Euro.
Das Doppelspiel fliegt auf
A. selbst behauptet, er habe sich als Flüchtling ausgegeben, um verdeckt über Missstände im deutschen Asylwesen zu recherchieren. Einem Freund sagte er, Deutschland werde ihm für seine Erkenntnisse bestimmt einen Orden verleihen.
Das Doppelspiel flog auf, als Franco A. 2017 in Wien verhaftet wurde. Er hatte eine geladene Pistole in einer Toilette am Flughafen Schwechat versteckt und konnte der Polizei weder überzeugend erklären, wie er in ihren Besitz gekommen war, noch was sie an diesem Ort zu suchen hatte. Wollte A. mit ihr ein Attentat begehen?
Fehlen konkrete Beweise?
Nach allem, was man weiss, besass A. zwar viele Waffen, Handys, Konten, Kreditkarten, zwei Identitäten und eine lupenrein rechtsextremistische Gesinnung. Für den Verdacht, er sei durch seine Verhaftung gerade noch an einem Attentat unter falscher Flagge gehindert worden, scheint es jedoch nur wenig konkrete Beweise zu geben.
Ob Franco A. mit Umsturzplänen nur gespielt hat oder zu einem Anschlag tatsächlich «fest entschlossen» war, wie es der Tatbestand, den man ihm vorwirft, verlangt, muss das Gericht nun herausfinden.
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