Pippo Pollina beendet seine Auszeit
Nach eineinhalbjähriger Auszeit kehrt Pippo Pollina mit dem Album «Il sole che verrà» zurück. Der in der Schweiz wohnhafte Italiener vermisst heute traditionelle Werte in Religion und Politik und fordert eine Künstlerrevolution.

Pippo Pollina, Sie haben Ihr Album «Il sole che verrà» dem Thema Hoffnung gewidmet. Warum?Pippo Pollina:Wir erleben gerade schwere Zeiten. Dessen sind wir uns im reichen Westen teilweise gar nicht bewusst. Das Mittelmeer ist zum Friedhof geworden. Täglich sterben dort Leute – vermutlich viel mehr, als wir über die Medien erfahren. Dazu kommt das internationale politische Panorama: Trump, Brexit und so weiter.
Sie klingen ernsthaft besorgt. Sowohl Religion wie Politik werden heute missbraucht und bieten keine gute Werteplattform mehr. Das heisst, dass an dieser Stelle die Kunst einspringen und Verantwortung übernehmen muss, um bestimmte Werte wiederherzustellen. Wir Künstler müssen dafür sorgen, dass gewisse Themen wieder wahrgenommen und diskutiert werden. In der Familie, mit Freunden, in der Gesellschaft. Damit alle, nicht nur die Wirtschaftskonzerne, wieder die Zukunft mitbestimmen können.
«Sowohl Religion wie Politik werden heute missbraucht und bieten keine gute Werteplattform mehr.»
Wie stellen Sie sich das vor? Es braucht eine Künstlerrevolution. So, wie es während und nach dem Zweiten Weltkrieg war, als Künstler für die Freiheit einstanden. Wir müssen versuchen, die Gesellschaft an weniger materielle Werte heranzuführen. Denken wir an Weihnachten. Die wenigsten verbinden diesen Feiertag noch mit Religion. Für viele besteht Weihnachten aus Weihnachtsmärkten und Geschenken. Da dreht sich Jesus im Grab um!
Glauben Sie, dass sich in Zukunft etwas ändern wird? Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Nur so können wir an einer besseren Zukunft arbeiten. Jeder muss selber jeden Tag seinen Beitrag dafür leisten. Es gibt nicht nur Arbeit und Ferien. Und wir dürfen nicht darauf vertrauen, dass andere die Arbeit für uns erledigen.
Welches ist Ihr Beitrag? Ich gebe den Leuten mit meinen Liedern Kraft. Das sehe ich an den bewegenden Briefen von Zuhörern. Dank meiner Musik können sie morgens motivierter zur Arbeit gehen. Ich glaube, dass meine Musik eine therapeutische Wirkung haben kann. Deshalb spüre ich eine gewisse Verantwortung gegenüber meinen Zuhörern.
Sie waren jetzt eineinhalb Jahre weg von der Bühne. Was haben Sie in dieser Zeit gemacht? Ich war länger unterwegs. Manchmal allein, manchmal mit Freunden und Familie. Länder wie Israel oder Kuba wollte ich schon lange besuchen. Einige Lieder sind dank diesen Reisen entstanden. Zum Beispiel «Andarsene d'estate» in Kuba. Dort sah ich, wie zwei Generationen, zwei Ideologien, aufeinandertreffen. Das hat mich zum Nachdenken angeregt.
Was hat Sie noch inspiriert? Ich lernte ein syrisches Flüchtlingspaar kennen, das mir von seiner Reise in die Schweiz erzählte. Darauf schrieb ich das Stück «Potrò mai dirti». Sie riskierten alles. Und ihre Hoffnung wurde belohnt. Sie haben einen Kampf gewonnen. Aber nicht den ganzen Krieg.
«Ich bin Musiker und nicht Politiker. Politik kann man nicht nebenbei machen.»
Kann man diesen Krieg denn gewinnen? Um wirklich etwas zu verändern, muss sich von oben etwas bewegen. Der Westen müsste Antworten und nicht Waffen an die Kriegsländer liefern. Solange die Entscheidungsträger eine Doppelmoral haben, wird sich nichts ändern.
Es bräuchte also andere Menschen in der Politik. Sie vielleicht? Ich wurde tatsächlich schon von politischen Parteien in Italien für eine Kandidatur angefragt, aber ich habe abgesagt. Ich bin Musiker und nicht Politiker. Politik kann man nicht nebenbei machen. Da musst du jeden Tag dran sein. Politik muss dein Element sein. Bei mir ist es die Musik. Sie erlaubt mir, frei zu sein, Leute kennen zu lernen und mit meiner Musik ihr Herz zu berühren. Das möchte ich nicht aufgeben.
Diese Leidenschaft haben Sie auch Ihrem Sohn weitergegeben, der unter dem Künstlernamen Faber gerade durchstartet ... Ja, er hat ein ganz eigenes Songwriting. Mit seiner Bühnenpräsenz und provokanten Texten kann er die Menschen gut erreichen. Das finde ich toll.
Hat Sie Ihre Auszeit verändert? Nun, ich habe neue Seiten an mir entdeckt. Zum Beispiel, dass ich es mag, auch mal nichts zu machen. (lacht) Und ich konnte mir selber bestätigen, dass ich die Bühne nicht unbedingt brauche. Ich hatte Zeit, Antworten auf allgemeine und persönliche Lebensfragen zu suchen.
Sind Sie fündig geworden? Jein. Einige Fragen wie ‹Was ist der Sinn des Lebens?› wird man nie endgültig beantworten können. Das sind aber genau die Fragen, die dich am Leben erhalten.
Pippo Pollina: «Il sole che verrà», Jazzhaus Records. Live: 17. März, 20 Uhr, Kultur-Casino, Bern. Vorverkauf: www.ticketcorner.ch.
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