Perrenoud beharrt auf Armutsbekämpfung trotz Spardruck
Der Kanton Bern muss sparen. Gesundheits- und Fürsorgedirektor Philippe Perrenoud warnt jedoch davor, «die Armen statt die Armut zu bekämpfen».

Der bernische Gesundheits- und Fürsorgedirektor Philippe Perrenoud hat davor gewarnt, «die Armen statt die Armut zu bekämpfen». Der steigende Spardruck beim Kanton dürfe nicht zu Verirrungen in der Armutspolitik führen.
Das betonte Perrenoud am Donnerstag zum Auftakt des dritten Berner Sozialgipfels im Rathaus. Mehr als 150 Vertreter aus Politik, Verwaltung, Sozialorganisationen und Wirtschaft nahmen an der Standortbestimmung teil.
Widersprüchliche Signale
Der Grosse Rat habe zuletzt widersprüchliche Signale ausgesandt, sagte Perrenoud. In der September-Session habe er zwar anerkannt, dass sich das Armutsproblem im letzten Jahrzehnt verschärft habe. Zugleich habe er die Motion Studer überwiesen, die eine Leistungskürzung von 10 Prozent in der Sozialpolitik fordere.
Das zeige, dass Politik und Öffentlichkeit unter dem gegenwärtigen Spardruck einseitig auf die steigenden Sozialausgaben fokussiert seien. Um kurzfristig die Ausgaben einzudämmen, sei man bereit, auf Kosten der Schwächsten zu sparen. «Das wahre Problem, die zunehmende Armut, wird ausgeblendet.»
Der Regierungsrat hingegen wolle das Problem beim Schopf packen und setze deshalb auf Prävention. Jeder Mensch solle die Möglichkeit haben, den Lebensunterhalt in eigener Verantwortung zu sichern. Dazu brauche es etwa Frühförderung, die Unterstützung von Jugendlichen beim Eintritt ins Erwerbsleben sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit.
Die Armut halbieren
Der erste Berner Sozialgipfel fand 2009 statt. Kurz zuvor hatte Perrenoud angekündigt, er wolle die Armut innert zehn Jahren halbieren. «Ich habe die Latte sehr hoch gesetzt», räumte der Fürsorgedirektor am Donnerstag an einem Mediengespräch ein. «Aber immerhin ist das Thema heute auf der politischen Agenda.»
Seit 2009 hat sich die Zahl der Armen und der Armutsgefährdeten auf hohem Niveau eingependelt, wie aus dem jüngsten Sozialbericht der Regierung hervorgeht. Jeder achte Haushalt mit Personen im Erwerbsalter ist demnach arm oder armutsgefährdet. Als «arm» gilt im Kanton Bern ein Mensch, der monatlich weniger als 1927 Franken zur Verfügung hat.
Arm oder armutsgefährdet sind insgesamt etwa 100'000 Menschen. Alleinerziehende Mütter tragen das grösste Risiko, in die Armutsfalle zu geraten. Aber auch grosse Familien sind betroffen - und immer mehr Menschen an der Grenze zum Pensionsalter.
Caritas-Chef kritisiert Grossratsentscheid
Hugo Fasel, der Direktor von Caritas Schweiz, würdigte am Gipfel die Pionierrolle des Kantons Bern, dessen Armutsberichte auch die Bundespolitiker aufgerüttelt hätten. Umgekehrt sei die vom Grossen Rat verlangte Senkung der Sozialhilfe «armutspolitisch ein Dammbruch».
Beschämend sei vor allem, dass die Leistungskürzungen mit finanziellen Engpässen begründet würden. Derselbe Kanton gönne sich neuerdings tiefere Motorfahrzeugsteuern. «Das ist Umverteilungspolitik von unten nach oben, Ausbeutung der Ärmsten», kritisierte Fasel. «Demgegenüber steht in der Bundesverfassung, dass sich die Stärke eines Volkes am Wohl der Schwächsten misst.»
SDA/tag
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