Per Pubquiz in den Vorstand
Wenn der Europacup startet, sind die grossen Namen noch nicht dabei. Gute Geschichten gibt es trotzdem.

Sie wissen alle: Wenn die Europacup-Saison richtig beginnt, ist sie für sie schon zu Ende. Aber ihnen kommt wenigstens die Ehre zuteil, diesen Wettbewerb zu lancieren, die Champions League und die Europa League 2015/16. Überstehen sie eine Runde, ist das für sie ein Coup. Die meisten von ihnen sind Amateure mit bescheidenen Träumen, die Reisen oft die grössten Triumphe der Clubgeschichte. Für die Fussballer von Go Ahead Eagles Deventer, The New Saints Llansanttffraid, Differdingen 03 und Jagiellonia Bialystok und ihre Fans ist es heute und morgen Abend so weit.
Go Ahead Eagles Deventer: Mit Portfolio im Stadion
Die Gefühlswelt des Henk de Haan – sie war in den letzten Wochen so durchgeschüttelt wie der Kopf eines Wackeldackels. Henk ist grosser Fan der Go Ahead Eagles Deventer, eines kleinen Clubs im Nordosten Hollands. Die Eagles hatten keine gute Saison, am Ende verloren sie die Relegation und stiegen ab. Doch weil sie das so fair wie kein anderes Team taten, erhielten sie von der Uefa einen der sogenannten Fair-Play-Plätze in der Qualifikation zur Europa League. Henk war begeistert. Erstmals seit 1965 spielt sein Team europäisch. Und es kam noch besser: Bei einem Pubquiz gewann er eine VIP-Reise zum Auswärtsspiel. Henk war überglücklich.
Doch nicht lange. Denn der Gegner in der 1.??Runde heisst Ferencvaros Budapest. Und dieser wurde von der Uefa wegen rassistischer Äusserungen seiner Fans gebüsst. Sein Heimspiel muss er ohne Zuschauer austragen. Also: ohne Henk. Das wollte die Vereinsführung nicht zulassen. Schliesslich ist versprochen versprochen. So haben sie nun Henk und seine Frau Tonnie vorübergehend in den Vorstand aufgenommen. Denn Vorstandsmitglieder dürfen auch bei Geisterspielen ins Stadion. Die De Haans vertreten das Portfolio «Internationale Beziehungen» und haben eingewilligt, sich freiwillig wieder aus dem Gremium zurückzuziehen, sobald die Räder des Flugzeugs holländischen Boden berühren. (abb)
Henk de Haan erhält die offizielle Clubkrawatte umgehängt. Nun ist er Vorstandsmitglied.
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The New Saints Llansantffraid: Dominanz des Zungenbrechers
Die beiden Grossen aus Wales heissen Swansea und Cardiff und waren zuletzt Teil des Millionengeschäfts der Premier League. Dahinter folgen Newport County, Wrexham, Merthyr Town und Colwyn Bay, alle ebenfalls in englischen Ligen beschäftigt. Und dann gibt es noch die heimische Meisterschaft fernab jeden Glamours. Kein einziger aktueller Nationalspieler hat dort je einen Match bestritten.
Der Meister stammt aus einem Provinznest unweit der englischen Grenze, im Süden Liverpools. Sein Name ist für hiesige Zungen kaum aussprechbar: Llansantffraid-ym-Mechain, benannt nach der Kirche der keltischen Frau Sankt Brigit. Nur 1100 Menschen leben im Dorf. Es gibt einen Gasthof, ein Café, einen Lebensmittelladen. Und eben einen Fussballclub. Der trägt seine Heimspiele allerdings im benachbarten Oswestry in einem Stadion für 1000 Zuschauer aus. Einst wegen seines Sponsors als Total Network Solutions (TNS) bekannt und verspottet, fusionierte er 2003 mit einem anderen Verein und nannte sich fortan The New Saints, weil das die gleiche Abkürzung mit sich zog. 2006 stieg dann die schwerreiche BT Group aus der Telekommunikationsbranche ein.
Seither kennen die New Saints keine Geldsorgen, sie können sich als einziges Team einen Profibetrieb leisten. Und in der Meisterschaft kommt Langeweile auf: Llansantffraid gewann die letzten vier Titel und ist walisischer Rekordhalter mit neun. Besitzer Mike Harris wird angesichts dieser Dominanz des Öfteren mit der Frage konfrontiert, ob denn seine Mannschaft nicht besser ebenfalls nach England wechseln sollte. Er aber winkt ab. Aus einfachem Grund: So erhalten die New Saints Jahr für Jahr fast garantiert die Chance, sich für die Champions League zu qualifizieren. Die erste Hürde konnten sie freilich noch nie überspringen. Aber vielleicht ja dieses Mal: Heute Abend wartet B36 Torshavn, der färingische Meister. (sis)
Schöne Kulisse, viele Tips: Ein Spiel in der beschaulichen walisischen Meisterschaft.
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Differdingen 03: Hoffe auf Galaspiele
Der Mann ist Luxemburger mit italienischen Wurzeln und ausgeprägtem Geschäftssinn. Fabrizio Bei handelt mit Immobilien, ist Bauunternehmer – und leidenschaftlicher Präsident von Differdingen 03. Der luxemburgische Club ist ein Fusionsprodukt aus Red Boys und AS, entstanden vor zwölf Jahren. Um den Nachwuchs braucht er sich keine Sorgen zu machen: 450 Junioren sind eingeschrieben. 48 ist Bei, und Stolz dringt durch, wenn er zusammenfasst, was die erste Mannschaft in der jüngeren Vergangenheit erreicht hat. 2011 schaffte es erst Paris St-Germain im Playoff, die wackeren Amateure auf dem Weg in die Europa League zu stoppen; 2013 reichte die Kraft bis in die 3. Qualifikationsrunde; 2010, 2011, 2014 und 2015 holte der Verein den nationalen Cup; und die vergangene Saison beendete er auf Platz 2.
«Das ist nicht schlecht», sagt Bei und verweist bei dieser Gelegenheit gern auf die bescheidenen Strukturen. 1,2 Millionen Euro beträgt das Budget, nur drei Spieler dürfen sich Profi nennen, was auf ihrem Lohnzettel aber nicht zum Ausdruck kommt. Die Bestverdiener bringen es auf ein Fixum von 2000 Euro. Zusatzeinnahmen winken bei ausserordentlichen Leistungen, etwa im Europacup. Eine Runde weiter heisst: 500 Euro Bonus für jeden.
Seit drei Jahren haben Differdingens Kicker das Privileg, in einem schmucken Stadion aufzutreten. 17 Millionen Euro hat es gekostet, 2500 Zuschauern finden darin Platz. Bestenfalls zur Hälfte ist es an gewöhnlichen Meisterschaftstagen gefüllt, aber morgen wird nichts sein wie oft in der Stadt mit 24 000 Einwohnern. Präsident Bei spürt eine aufkommende Euphorie, weil der nächste Europacup-Abend naht. Bala Town aus Wales hat sich angekündigt, es riecht nach einem guten Los für Differdingen. Fabrizio Bei hat die Hoffnung, dass Omar Er Rafik am Donnerstag bei guter Laune ist. Bei will ihn nicht Star nennen, «Stars gibt es bei uns nicht», aber Er Rafik, ein Franzose marokkanischer Herkunft, gilt als treffsicherster Stürmer im Kader. Auch dank ihm schielt der Clubchef schon auf die nächste Runde, in der Trabzonspor wartet: «Wir bekämen zwei Galaspiele.» (pmb)
Differdingen in der heimischen Meisterschaft
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Jagiellonia Bialystok: Nur im Bus statt im Flugzeug
Es war die beste Saison in der Clubgeschichte. Jagiellonia Bialystok, der Verein aus dem Nordosten Polens, beendete die Meisterschaft auf dem 3. Platz. Das wollte auch der Stadtrat von Bialystok belohnen und lud die Mannschaft vor einer Woche in seine Sitzung ein. Da erhielten die Spieler gerahmte Diplome und 500 000 Zloty – rund 125 000 Franken – als Dank, dass sie «die Stadt draussen in der Welt so gut vertreten».
Das wurde von der Bevölkerung nicht gutgeheissen. In Onlinekommentaren und Internetforen liessen unzählige Leute ihren Unmut darüber aus, dass der Stadtrat Geld in Fussballteams steckt, wo es doch an anderen Orten gebraucht wird. Eines ist sicher: «Jaga» wird das Geld nicht für die kommende Europacup-Reise brauchen. Dort treffen sie auf den litauischen Meisterschafts-Zweiten Kruoja Pakruojis. Darüber ist Trainer Probierz sehr glücklich, liegt Pakruojis doch nur fünf Autostunden von Bialystok entfernt. «Wir müssen kein Flugzeug chartern. Wir nehmen den Bus.» (abb)
Jagas 22'000-Zuschauer Stadion: Meisterschaftsspiel gegen Gornik
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