Pedä und die Monster
Pedä Siegrist ist Grafikerin, Illustratorin, Malerin und Stadtoriginal. Die 49-Jährige im Porträt der Serie BEsonders.
Die Zöpfchen hüpfen, wenn sie lacht. Die restlichen Haare hat sie zu Bürzi geflochten. Um den Hals baumeln grobe Silberketten, ihre Finger zieren schwere Ringe, die beim Gestikulieren klimpern. Pedä Siegrist stimmt ihre Gitarre und sagt: «Tief im Innern bin ich eine alte Emanze.» Immer wieder streite sie mit Männern, weil sie finde, dass diese es einfacher im Leben hätten. Und stimmt ein Lied von Mani Matter – «D'Psyche vo der Frou» – an, das sie in «Ds Hirni vom ne Maa» umgetextet hat. «Als ich ganz jung war, habe ich so sehr mit den Geschlechtern gehadert, dass ich eine Zeit lang nur noch Zwitterwesen malte», sagt die Künstlerin.
Die 49-jährige Petra Siegrist, stadtbekannt als Pedä, ist keine Stubenhockerin, sondern in Berns Gassen unterwegs. «Ich bewege mich 50 Meter um den Zytglogge. Das reicht mir, dort hat es genügend Spunten», sagt sie. Seit mehr als dreissig Jahren verkehrt sie in den gleichen Beizen, weshalb sie manche als Stadtoriginal bezeichnen. «Das ist ein grosses Wort und mir suspekt. Aber es ist natürlich ein Kompliment.»
Züri West und Polo
Während sie die Abende nutzt, um unter Leute zu kommen, arbeitet sie tagsüber als Grafikerin: Nebst ihrer Stelle als Layouterin bei der Beilagenredaktion von «Bund» und BZ arbeitet sie selbstständig daheim im Kirchenfeldquartier. Konsequent geht sie zwischen Montag und Freitag aus, aber nicht mehr jeden Abend, das schaffe sie in ihrem Alter nicht mehr. Unter der Woche treffe man die Berner Kulturprominenz, die am Wochenende oft Engagements habe. «Aber es kann auch ein schnöd-blöder Montag werden», sagt sie.
Am liebsten kehrt Pedä derzeit im Café Pyrénées, im «Pyri», ein. Dort lernte sie auch Polo Hofer kennen, für den sie zehn Jahre lang die CD-Covers kreierte. Auch Züri West gehörten zu ihren Kunden. Kuno Lauener schenkte ihr einst eine Platinauszeichnung, weil er fand, dass auch die Grafiker zum Erfolg beitragen. Das habe Polo gewurmt – er schenkte ihr seine persönliche Platinauszeichnung der CD «Xangischxung». Später kamen Gold für «Silber, Gold & Perle» und Platin für «Prototyp» hinzu. Diese zieren nun die Wand in ihrem Büro.
Pedä Siegrist wohnt und arbeitet an der Jubiläumsstrasse. Dass sie eine Kunstliebhaberin ist, sieht man der Wohnung auf den ersten Blick an: Alle Wände sind mit Bildern behängt. Ihre Eltern, beide gelernte Dekorateure, haben ihr dieses Interesse mitgegeben. Die Mutter nahm sie und ihre Schwester in Ausstellungen mit und förderte ihre Neigungen zum Malen, Zeichnen und Basteln. Als Pedä in der Lehre eigenes Geld verdiente, kaufte sie sich das erste Bild. Dieses auf dem Kopf balancierend, habe sie es damals nach Hause getragen, und es hängt auch heute noch in ihrer Wohnung. «Man spürt die Einzigartigkeit und das Handwerk», sagt sie. Es sei etwas ganz anderes, ein Original zu besitzen als ein Plakat.
Biester und Bestien
Ihre eigenen Werke sind finster und düster, mit deformierten Köpfen und überdimensionalen Nippeln bilden sie nicht gerade eine rosarote Zuckerwattenwelt ab. Pedä bezeichnet sich selber mehr als Zeichnerin denn als Malerin, obwohl viele der aufgehängten Bilder von ihr stammen. Ihren Stil zu beschreiben, fällt ihr schwer: vielleicht Comic vermischt mit surrealen Elementen aus Traumwelten?
«Die Traumwelten sind nicht nur heiter-fröhlich, da sind auch Albträume dabei», sagt sie. Diese faszinieren sie mehr als das Liebliche, deshalb zeichne sie auch Monster, Biester und Bestien. «Vielleicht ist das ein bisschen Therapie, und so habe ich etwas Ruhe vor diesen Dämonen.»
Boss und die Beiz
Wie eine Therapie wirkte auch das Kochbuch «Kochen für Boss». Tinu Boss war Pedäs Lebenspartner. Er erhielt im November 2008 die Diagnose amyotrophe Lateralsklerose. Die Nervenkrankheit habe ihn von unten bei den Füssen bis nach oben gelähmt, erinnert sie sich. Alles habe harmlos mit einem Hinken angefangen, weshalb er zum Arzt gegangen sei. Später sei er auf den Rollstuhl und danach auf den Elektrorollstuhl angewiesen gewesen. Irgendwann konnte Pedä ihn nicht mehr allein betreuen.
Gerade in dieser Zeit wurde der Assistenzbeitrag der Invalidenversicherung eingeführt, was ermöglichte, dass Freunde und Bekannte halfen, Tinu Boss zu pflegen. Unter den Betreuern war auch Robert Riesen, der das Kochen übernahm. «Tinu und Röbu waren Gourmets und verbrachten Stunden mit dem Planen der Menüs», erinnert sich Pedä. Als Tinu das Haus nicht mehr verlassen wollte, seien die Leute zu ihnen nach Hause gekommen. «Es sprach sich herum, dass man hier gut essen konnte. Und wir hatten so fast eine Beiz», sagt Pedä. Das habe aus der wahnsinnig schlimmen Geschichte viel Tragik herausgenommen, weil sie so die Zeit mit Freunden verbracht hätten.
Im Oktober 2014 ist Tinu Boss gestorben. Um über diesen schweren Schicksalsschlag hinwegzukommen, hat Riesen Rezepte und Geschichten aufgeschrieben, Pedä als Grafikerin hat das Buch gestaltet und illustriert. «Das war Gold wert und hat uns sehr geholfen», sagt sie mit traurigen Augen. Auch heute koche sie sporadisch mit Röbu. Sie übernimmt dabei die Rolle des Commis. «Und ich bin kein Gourmet, am liebsten ist mir ein Teller Spaghetti», gibt Pedä zu.
Märchen und Musik
Wenn sie spricht, erzählt sie mit lauter Stimme vier, fünf Geschichten in einem Satz. Wenn sie lacht, schüttelt es den ganzen Körper, und das Lachen hallt durch die Wohnung. Sogar wenn sie raucht, ist sie laut. Und laut geht es auch im Kasperlitheater zu und her, bei dem Pedä mitspielt: Heuer ist es das vierte Stück, das sie mit den beiden Skulpteuren Christian Kohli und Aleardo Schüpbach aufführt. In ihren Doppelrollen als verrücktes Huhn und verängstigte Schildkröte spiele sie auch wieder mehr Gitarre.
Theater ist aber nicht das Einzige, was sie für die Jugend tut: Ihre Mutter Heidi schreibt derzeit an einem berndeutschen Märchenbuch. Und wer könnte dieses besser illustrieren als ihre talentierte Tochter? «Dass es aber im Märchenbuch gar keine Monster geben wird, kann ich allerdings nicht versprechen.»
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