Paris will Parlament umgehen
Der französische Premierminister will eine umstrittene Wirtschaftsreform ohne Abstimmung im Parlament durchsetzen. Die Opposition brachte sogleich einen Misstrauensantrag ein.

Frankreichs sozialistische Regierung riskiert eine Misstrauensabstimmung, um ein umstrittenes Reformgesetz auch gegen massiven Widerstand aus den eigenen Reihen durchzubringen. Die Opposition sprach von einem Offenbarungseid der Regierung. Wegen einer unsicheren Mehrheit für das wichtige Reformgesetz griff die Regierung zu einem aussergewöhnlichen Mittel: Der französische Premierminister Valls kündigte kurz vor der geplanten Abstimmung über das Gesetz im Parlament an, dass die Regierung den Artikel 49-3 der Verfassung zur Anwendung bringe. Dieser sieht die Annahme eines Gesetzes ohne Abstimmung vor, wenn danach nicht ein Misstrauensantrag gegen die Regierung eingebracht und angenommen wird.
Die konservative Oppositionspartei UMP von Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy brachte postwendend noch am Dienstagabend einen Misstrauensantrag ein. Über den Antrag soll am Donnerstagabend in der Nationalversammlung abgestimmt werden. Sollte er erfolgreich sein, müsste die Regierung zurücktreten. Die Annahme ist jedoch höchst unwahrscheinlich, weil auch die Abweichler in der sozialistischen Fraktion in der Nationalversammlung nicht den Sturz ihrer Regierung wollen.
Dass es tatsächlich so weit kommen wird, gilt aber als ausgeschlossen. Sowohl die linken Abweichler aus den Reihen der Sozialisten, die nicht für das Macron-Gesetz stimmen wollen, wie auch die Grünen wollen keinen Sturz der Regierung und werden daher voraussichtlich nicht gegen das Kabinett stimmen.
Anders sah dies bei Macrons Reformgesetz aus. Die meisten der etwa 30 bis 40 sozialistischen Abweichler, die meisten Grünen, fast alle Konservativen, eine Reihe von Zentrumsvertretern sowie Linkspartei und Kommunisten hatten angekündigt, gegen das umstrittene Reformgesetz stimmen zu wollen.
Gesetz «unerlässlich» für Wirtschaft
Valls sagte vor den Abgeordneten, es gebe eine «unsichere» Mehrheit für das Reformprojekt. «Ich werde kein Risiko eingehen», sagte der Regierungschef und hob hervor, das Gesetzesvorhaben sei «unerlässlich» für die französische Wirtschaft. Es sieht unter anderem flexiblere Regelungen bei der Sonntags- und Feiertagsarbeit, eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten an Sonntagen, erleichterte Kündigungen sowie Privatisierungen und Liberalisierungen etwa im Reisebusverkehr vor. Die linke Regierung will so notwendige Wachstumsimpulse setzen.
Die Entscheidung, auf Artikel 49-3 zurückzugreifen, erfolgte nur kurz vor der für den späten Nachmittag geplanten Abstimmung. Zunächst berief Staatschef François Hollande eilig eine Sondersitzung des Kabinetts ein, um grünes Licht für diesen Weg zu geben. Die Entscheidung, den Artikel tatsächlich zu nutzen, fiel dann in einem Telefonat zwischen Valls und Hollande, wie es aus dem Elysée-Palast hiess.
Oppositionschef Sarkozy erklärte anschliessend, der Tag habe gezeigt, dass es «weder eine (Regierungs-)Mehrheit noch eine Regierung» mehr gebe. Die Chefin der rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, verlangte einen Rücktritt der Regierung Valls.
SDA/thu
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