«Die Menschen schubsten und drängten»
Die Passagiere der Costa Concordia erheben schwere Vorwürfe gegenüber Crew und Kapitän. Auf dem Schiff müssen sich chaotische Szenen abgespielt haben.
Szenen wie auf der «Titanic» müssen sich nach der Havarie auf der «Costa Concordia» abgespielt haben. «Wir haben gerade gegessen, als das Licht ausging und ein starker Ruck spürbar war», sagt eine Augenzeugin gegenüber Republicca.it.
Viele der Passagiere beklagten, dass die Besatzung ihnen keine ausreichenden Anweisungen zur Evakuierung des Schiffs gegeben habe. Ausserdem werfen sie der Crew vor, die Aussetzung der Rettungsboote so lange verzögert zu haben, bis sie wegen der Schräglage des Schiffs nicht mehr ausgebracht werden konnten. Mehrere Passagiere sagten, Besatzungsmitglieder hätten den Passagieren 45 Minuten lang erzählt, der Lichtausfall sei durch ein einfaches technisches Problem verursacht worden.
Ein Privatvideo (siehe oben) zeigt, wie über Lautsprecher zunächst gesagt wird, es herrsche ein Black Out. «Es besteht kein Grund zur Panik, bitte bleiben sie ruhig. Unsere Techniker arbeiten schon daran, das Problem zu lösen», sagt eine atemlose Stimme. Dann werden die Passagiere an Deck gelotst: «Im Moment besteht noch immer keine Gefahr. Alle Passagiere sollten sich an Deck 4 begeben», tönt es durch den Lautsprecher. Doch es herrscht dichtes Gedränge. Die Menschen können sich kaum bewegen. Danach sieht man, wie die Geretteten auf einem Boot an Festland gebracht werden. Die Evakuierten versammeln sich dort in einer Kirche.
Keinerlei System
«Die Menschen schubsten und drängten, es gab keinerlei System bei der Evakuation», sagt ein amerikanischer Augenzeuge gegenüber CNN. Die Anweisungen der Crew-Mitglieder hätten sich widersprochen. Es habe keine Rettungsboote mehr gegeben auf ihrer Seite, sagt ein anderer Augenzeuge, da hätten sie die Entscheidung getroffen, ins eiskalte Wasser zu springen, um zum Ufer zu schwimmen. «Wenn uns die Havarie nicht unmittelbar umbringt, dann die Crew mit ihrem Verhalten», habe er sich gedacht.
«Sie sagten uns noch, wir sollten sitzen bleiben, als das Schiff schon zu sinken begann», sagt der 74-jährige Franzose Joel Pavageau gegenüber der Agentur AFP.
Ein französisches Paar, das in Marseille an Bord der «Costa Concordia» gegangen war, sagte hingegen der Nachrichtenagentur AP, es habe den Kapitän in einem Rettungsboot gesehen - lange bevor alle Passagiere von Bord gewesen seien. Die Küstenwache habe ihn aufgefordert, seiner Pflicht nachzukommen und zu dem sinkenden Schiff zurückzukehren, sagte Francesco Paolillo der Nachrichtenagentur AP. Der Kapitän habe dies aber ignoriert.
Zu nah an der Küste
Der italienischen Nachrichtenagentur ANSA sagte Staatsanwalt Francesco Verusio, der Kapitän habe eine Route gewählt, die zu nah an der Küste verlaufen sei. Das bestätigten Augenzeugen auf der Insel Giglio. Sie erklärten, sie hätten das Schiff noch nie so nah an der Küste gesehen. Der 54-jährige Fährmann Italo Arienti sagte, ein inzwischen pensionierter Kapitän der «Costa Concordia» habe sich gelegentlich der Küste genähert und die Sirenen ertönen lassen, als Gruss an seine Heimatstadt. Das Schiff sei dabei aber immer fünf bis sechs Seemeilen vor den Riffs geblieben.
Weiter berichteten die Passagiere, dass seit dem Beginn der Kreuzfahrt am 7. Januar bis zu dem Unglück keine Evakuierungsübung abgehalten worden sei. Für Samstag war eine solche Übung geplant. Gegen den Kapitän wird mittlerweile wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Auch der erste Offizier, Ciro Ambrosio, sitzt in U-Haft.
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