«Pacte civil de solidarité» – ist das die neue Eheform?
Weder Ehe noch eingetragene Partnerschaft: Der Bundesrat bringt eine neue Art von Bündnis für Paare zur Diskussion. Auch die Abschaffung des Status «geschieden» steht zur Debatte.

Paare in der Schweiz könnten ihre Partnerschaft möglicherweise bald in einer neuen Form rechtlich absichern. Der Bundesrat stellt neben der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft eine weniger weit gehende Regulierung zur Diskussion. Es handelt sich um den in Frankreich vor über 15 Jahren eingeführten «Pacte civil de solidarité» (Pacs), der an Schweizer Verhältnisse angepasst werden könnte. Paare, die nicht heiraten wollen, können mit Pacs ihr Zusammenleben vor einem Amtsgericht oder Notar vertraglich regeln. Für die Auflösung genügt eine Erklärung vor der Behörde.
Ein Pacs begründet keine familiären Bindungen. Auf den Namen der Partnerinnen und Partner hat er keinen Einfluss. Paare mit einem Pacs sichern sich gegenseitig Unterstützung zu, etwa bei Krankheit, aber auch in materiellen Belangen. Dies ist einem am Mittwoch vom Bundesrat verabschiedeten Bericht zum Familienrecht zu entnehmen.
Gehen Pacs-Paare gemeinsam Verbindlichkeiten für ihren Alltag ein, haften sie solidarisch. Vermögen, die die Partner oder Partnerinnen vor dem Abschluss des Vertrages und während dessen Dauer erwerben, gehören ihnen alleine. In Frankreich wählen heute vier von zehn Paaren mit formalisierter Beziehung den Pacs.
Eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichstellen?
Nachgedacht hat der Bundesrat auch darüber, ob die heute nur homosexuellen Paaren mögliche eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt werden müsste. Damit würde die Ehe für homosexuelle Paare geöffnet. Zumindest die Rechtskommission des Nationalrates unterstützt dieses Ansinnen. Sie befürwortete im Februar eine parlamentarische Initiative der Grünliberalen für die Legalisierung der Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren. Umgekehrt sollen heterosexuelle Paare eine eingetragene Partnerschaft eingehen können.
Stimmt auch die ständerätliche Rechtskommission zu, kann die Nationalratskommission einen Gesetzesentwurf ausarbeiten, über den das Parlament zu befinden hätten. Das letzte Wort hätte das Volk, weil die Verfassung angepasst werden müsste.
Härtefälle in Konkubinaten
Für die zunehmende Zahl von Paaren, die im Konkubinat leben, will der Bundesrat keine generellen Regelungen erlassen. Solche faktischen Lebensgemeinschaften zu regulieren, hält die Landesregierung grundsätzlich nicht für notwendig. Eine generelle Regelung sei heikel, heisst es im Bericht. Denn Menschen, die sich bewusst gegen die Ehe oder eine eingetragene Partnerschaft entschieden hätten, würden so auf Umwegen in eine rechtliche Bindung gezwungen.
Allerdings sieht der Bundesrat Bedarf für eine Art Härtefallklausel. Sie wäre denkbar für Fälle, in denen ein Partner oder eine Partnerin nach einer Krankheit der Partners oder der Trennung wirtschaftlich zu wenig abgesichert ist, aber viel in die Partnerschaft investiert hat. Eine Voraussetzung müsste dabei sein, dass zwischen den Partnern ein «erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht» besteht.
Der Bundesrat will auch über eine Vereinfachung bei den Zivilstandsbezeichnungen diskutieren. Sollten Ehe und eingetragene Partnerschaft einander angenähert werden, gäbe es keine Rechtfertigung mehr für Unterscheidungen beim Zivilstand, heisst es im Bericht. Eine einfache Regelung mit den drei Bezeichnungen «nicht verheiratet»; «verheiratet / in eingetragener Partnerschaft» sowie «verwitwet» würde genügen. Würde die Schweiz auf die Bezeichnung «geschieden» verzichten, wäre sie diesbezüglich derzeit das weltweit einzige Land.
Kritik von der SVP, Lob von der SP
«Der Bundesrat will Ehe und Familie schwächen», machte die SVP in einem Communiqué geltend. Die Vorschläge im Bericht zum Familienrecht verfolgten das Ziel, die traditionelle Familie zum Verschwinden zu bringen. Die SVP stört sich am Vorschlag, in der Schweiz ein alternatives Modell - ähnlich dem französischen «Pacte civil de solidarité» - einzuführen. Dieser «gleichmacherische Ansatz» hätte grosse Konsequenzen, sowohl gesellschaftlich als auch sozialrechtlich. Eine derartige «Verstaatlichung des Zusammenlebens» sei abzulehnen.
Die SP dagegen nannte die Diskussionsvorschläge des Bundesrates zum Familienrecht «erfreulich». Der Bundesrat zeige «ohne Scheuklappen» Wege auf, diese seien ebenso fortschrittlich wie gangbar. In einer freien Gesellschaft dürften zivil- und familienrechtliche Zwänge die Lebensgestaltung nicht einschränken. Die heutige starke Fokussierung auf die Ehe werde den vielfältig gewordenen Lebensformen nicht mehr gerecht, schrieb die Partei von Bundespräsidentin und Justizministerin Simonetta Sommaruga. Für Paare, die nicht heiraten und sich doch gegenseitig absichern wollten, sei ein Modell wie der PACS ein attraktiver Mittelweg.
Genf und Neuenburg haben kantonalen PACS
Zwei Westschweizer Kantone, nämlich Genf und Neuenburg, haben eine Art «Pacte civil de solidarité», den auch heterosexuelle Paare eingehen können. Der Vertrag hat allerdings nur symbolische oder auf das kantonale Recht beschränkte Bedeutung. In Genf müssen Paare, die diesen Vertrag abgeschlossen haben, in ihren Beziehungen mit der öffentliche Verwaltung wie verheiratete Menschen behandelt werden. Hier geht es um Fragen wie zum Beispiel Wohnen, Gesundheit oder Sozialhilfe.
Ist der Partner oder die Partnerin in ein Rechtsverfahren verwickelt, kann der Partner oder die Partnerin nicht als Zeuge angehört, sondern nur als Auskunftsperson befragt werden. Auf Nachfolgeregelungen, die Besteuerung, AHV, Pensionskassen oder den Zuspruch von Sozialleistungen hat der Vertrag aber keinen Einfluss.
Neuenburg geht mit seinem Vertrag etwas weiter. Eine solche Partnerschaft wird beispielsweise im Reglement der Pensionskasse des Kantons berücksichtigt, im Erbrecht und bei Schenkungen unter lebenden Personen. Nach zwei Jahren Lebensgemeinschaft muss der überlebende Partner oder die Partnerin keine Erbschaftssteuer bezahlen. Auf die direkten Steuern hat der Vertrag hingegen keinen Einfluss.
SDA/thu
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