Oberaargau Nord: Nur eine Grossfusion kommt in Frage
Es wäre die grösste Gemeindefusion in der Geschichte des Kantons Bern: Elf Gemeinden stehen derzeit in Verhandlungen über einen möglichen Zusammenschluss. Nun liegt erstmals eine detaillierte Analyse des Grossprojekts vor.
113 Seiten lang ist der Fusionsabklärungsbericht. Seite für Seite, Punkt für Punkt wird analysiert, was passieren würde, wenn sich 2019 auf einen «Chlapf» elf Gemeinden zusammenschliessen würden. Es sind dies Attiswil, Farnern, Niederbipp, Oberbipp, Rumisberg, Walliswil bei Niederbipp, Walliswil bei Wangen, Wangen an der Aare, Wangenried, Wiedlisbach und Wolfisberg.

Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus allen elf Gemeinden feilte in den vergangenen Monaten am ausführlichen Bericht. Sie kommen alle zu einem gemeinsamen Fazit: Die Fusion zu einer 14'500-Einwohner-Gemeinde sei «in erster Linie eine Chance».
Ein visionäres Projekt
Das kommt etwas überraschend. Als die Fusionsabklärungen im Oktober 2014 ihren Anfang nahmen, war von Euphorie noch wenig zu spüren. «Ich bin sehr skeptisch, dass es dazu kommen wird», sagte beispielsweise Fritz Scheidegger (SVP), Gemeindepräsident von Wangen, damals gegenüber dieser Zeitung.
Heute, zweieinhalb Jahre später, klingt das schon wesentlich zuversichtlicher. Die gesamte Arbeitsgruppe habe mit der Zeit je länger, je mehr die Vorteile einer Fusion gesehen, so Scheidegger. «Auch ich persönlich bin mittlerweile voll vom Projekt überzeugt», so Wangens Gemeindepräsident.
«Es liegt an uns, die Überzeugungsarbeit zu leisten.»
Eine gewisse Skepsis, ob die Stimmbürger der elf Gemeinden das genau so sehen, ist Scheidegger jedoch geblieben. «Es liegt nun an uns, die Überzeugungsarbeit zu leisten.» Scheidegger sieht in der Grossfusion einen wegweisenden Schritt in die Zukunft. «Es würde uns nicht weiterbringen, wenn nur einzelne Gemeinden miteinander fusionieren.» Nur Gemeinden ab einer gewissen Grösse können die stetig steigenden Vorgaben seitens des Kantons erfüllen, so Scheidegger. Deshalb brauche es den grossen Wurf.
Niederbipp hat Schlüsselrolle
Das glaubt auch Niederbipps Alt-Gemeindepräsident Peter Haudenschild (FDP). Deshalb wurde in der ersten Abstimmungsvorlage zum Projekt ein Passus eingefügt, wonach eine Fusion nur weiterverfolgt wird, falls die neue Gemeinde auf eine Einwohnerzahl von 11'000 käme. Stimmt Niederbipp als grösste Gemeinde Nein, wäre diese Vorgabe bereits nicht mehr erfüllt.
«Niederbipp nimmt beim Projekt die Killerrolle ein.»
«Niederbipp nimmt beim Projekt die Killerrolle ein», ist sich Haudenschild bewusst. Seine Gemeinde wäre auch eine der wenigen, die aufgrund der Fusion mit einer Steuererhöhung rechnen müssten. Dennoch sei bis zum Ende seiner Amtszeit 2016 der komplette Gemeinderat von Niederbipp hinter dem Projekt gestanden, so Haudenschild. Jetzt gelte es den Puls der Bevölkerung zu fühlen. «Die kommenden Mitwirkungsveranstaltungen werden zeigen, wie das Projekt ankommt», sagt Haudenschild.
Steuern als Knackpunkt
Ein wichtiger Faktor bei diesen Veranstaltungen werden die Finanzen sein. Genau hier liegt mit das grösste Konfliktpotenzial. Die Steueranlagen der elf Gemeinden schwanken heute stark: von Walliswil bei Bipp (0,9) bis Wolfisberg (1,89). Würden die Gemeinden fusionieren, hätten alle Einwohner genau die gleiche Steueranlage.
Die Arbeitsgruppe schätzt, dass dieser Steuerfuss irgendwo zwischen 1,5 und 1,6 zu liegen kommt. Dass sich durch die Fusion finanzielle Synergien ergäben, sei nämlich unwahrscheinlich. «Es ist nicht damit zu rechnen, dass die neue Gemeinde die Leistungen insgesamt kostengünstiger erbringen kann», wird im Bericht festgehalten.
Wie soll die neue Gemeinde heissen? Was wird ihr Wappen sein?
Dafür soll die Verwaltung deutlich professionalisiert und auf zwei Standorte mit je drei Abteilungen verteilt werden: Niederbipp und Wangen. Der Bereich Bildung wird durch die Fusion vorerst keine grossen Änderungen erfahren. «Eine Neuorganisation des Schulbetriebs kann sinnvollerweise erst durch die Organe der neuen Gemeinde bearbeitet werden», steht im Bericht.
Auch die politischen Strukturen würden stark verändert. Statt der Gemeindeversammlungen würde neu ein Parlament über Gemeindegeschäfte bestimmen. Dieses soll voraussichtlich 30 bis 40 Mitglieder haben. Es wäre eine ähnliche politische Struktur wie in Langenthal.
Mit dem grossen Nachbarn im Süden werde man sich zukünftig annähernd «auf Augenhöhe» begegnen, ist im Bericht festgehalten. Noch offen lässt der Bericht Fragen zur Identität. Wie soll die neue Gemeinde heissen? Was wird ihr Wappen sein? Dazu gibt es momentan noch keine Antworten.
Schicksalstag im September
Kommt das Projekt zustande, wird der Kanton Bern den Grossteil der Fusionskosten übernehmen. Es sind dies gut 5,4 Millionen Franken. Der zuständige Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) unterstützt das Projekt und hält es gar für visionär. «Die neue Gemeinde wäre entsprechend ihrer Grösse ein politisches Gewicht», sagt Neuhaus. Sie würde Gemeinden wie Belp, Münsingen oder Zollikofen mit ihrer Grösse übertreffen.
Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) hält das Projekt für visionär.
Ob das Projekt bei der Bevölkerung auch so gut ankommen wird, zeigt sich an den Infoabenden oder spätestens am 24. September. Dann findet in allen elf Gemeinden die Abstimmung über den Grundsatzbeschluss statt, ob die Fusion weiterverfolgt werden soll.
Der Abklärungsbericht ist auf oberaargaunord.ch aufgeschaltet. Das Datum für eine vierte Infoveranstaltung in Niederbipp wird in den kommenden Tagen bekannt gegeben.
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