
Die SVP droht der FDP mit Abwahl, die FDP empfiehlt der SVP den Abgang. Würde Ersteres geschehen, hätte die unruhige, von Enttäuschung und Ausfälligkeiten flankierte Zweckkoalition ein ehrliches Ende gefunden. Allerdings wären die beiden rechten Parteien dann häufiger gespalten, was nicht in ihrem Sinn sein kann.
Die Freisinnigen dürfen die Drohung der SVP nicht ignorieren. Die FDP verliert dauernd Wählerinnen und Wähler, auch in den Kantonen: bisher 20 Sitze in den Parlamenten und vier Regierungssitze. Wenn das so weitergeht, gerät ihr Anspruch auf zwei Bundesräte oder Bundesrätinnen in Gefahr. Dass die FDP-Präsidentin Petra Gössi jetzt zurückschlägt und der SVP das Unwahrscheinliche empfiehlt, dass sie nämlich den Bundesrat freiwillig verlassen solle: Es klingt so unwahrscheinlich wie verzweifelt.
Dass die SVP einen freisinnigen Bundesrat abwählt: Man hat trotzdem Mühe, es zu glauben. Dagegen spricht die Zusammenarbeit der beiden Parteien, aber auch die Geschichte. Es wäre erst das fünfte Mal bei über 100 Bundesräten, dass die Parlamentsmehrheit ein Regierungsmitglied abwählen würde. Zweimal passierte das im 19., zweimal im 21. Jahrhundert.
1854 traf es den hoch umstrittenen Ulrich Ochsenbein und 1872 den Genfer Jacques Challet-Venel. 2003 wurde Ruth Metzler abgewählt, um Christoph Blocher Platz zu machen. Vier Jahre später wurde der Ungezähmte selber weggewählt und Eveline Widmer-Schlumpf an seine Stelle gehievt.
Unser System mag langweilig sein, aber es ist stabil und funktioniert.
Dass eine Partei weniger Bundesräte bekommt, als ihr aufgrund der Wähleranteile zustehen würden – das haben sowohl die SP als auch die SVP während Jahren erlebt. Das Abwarten der anderen Parteien belegt, wie machtbewusst die Bundesratsparteien sich verhalten können – und wie lange sie zögern, um neue Verhältnisse mit Wahlen zu honorieren.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum sich das Parlament mit Abwahlen schwertut: Die Schweiz bewegt sich politisch langsam, gerade weil sie eine Koalitionsregierung bildet. Ein Prinzip von Regierung und Opposition, wie es umliegende Länder, aber auch zum Beispiel Grossbritannien und die USA unterhalten, wird es bei uns nicht geben.
Das hat nicht nur mit Trägheit zu tun, sondern mit der Erfahrung, dass die Schweiz mit ihrem austarierten System gut gefahren ist. Ja, unser System ist langweilig, aber stabil. Es ist unspektakulär, aber es funktioniert. Anders als alle anderen Länder hat die Schweiz zwei mächtige Korrekturinstrumente: Initiative und Referendum. Manchmal genügt schon die Unterschriftensammlung, um das Parlament zu einem Gegenvorschlag zu animieren.
Ruth Metzlers Abwahl war ungerecht, zumal sie bei heiklen Themen wie der Asyl- und Drogenpolitik bemerkenswerten Mut zeigte. Christoph Blochers Abwahl dagegen, die er bis heute nicht verwunden hat, war die logische Folge aus seinem Zündeln und Provozieren, aus der systematischen Verletzung der Kollegialität, aus seiner Doppelrolle von Bundesrat und Oppositionspolitiker. Das Parlament hat reagiert und ihn aus der Regierung geworfen. Man hat in der Schweizer Politik nicht so gern Leute, welche die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das wichtigste Motiv für eine Bundesratswahl ist der Neid der Wählenden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Kommentar zur Abwahl im Bundesrat – Nun drohen sie wieder, die von der SVP
Wird die SVP einen FDP-Bundesrat abwählen? Die Politik der beiden Parteien spricht dagegen, aber auch die Geschichte des Bundesrats. Zu einer Abwahl kam es bisher erst viermal.