Null Null Peitsche
In London werden die erotomanisch aufgeladenen Briefe zwischen dem James-Bond-Erfinder Ian Fleming und seine Frau Ann versteigert. Sie bieten tiefe Einblicke in eine komplizierte Beziehung.

Die Frage ist: Hat sie ihn gepeitscht - oder hat er sie gepeitscht? Und falls sich Ian Fleming, der Erfinder von James Bond, und seine spätere Frau Anne wechselseitig gepeitscht haben sollten, wie kann man sich dann eine beglückende sadomasochistische Beziehung der englischen Nachkriegsära vorstellen, die womöglich aus zu viel Sado und zu wenig Maso bestanden haben könnte? Oder kann die ehrenwerte Kulturtechnik «Spanking» auch gelingen, wenn beide hauen wollen?
Bislang konnte man in Bezug auf das berühmte, möglicherweise auch berüchtigte Ehepaar Fleming eigentlich nur im Dunklen tappen. Doch nun sind bei Sotheby's in London unter der Losnummer 108 (007 wäre natürlich feinfühliger gewesen) rund 160 Briefe von Ian und Anne Fleming zur Versteigerung angeboten worden. Das Auktionshaus hat bislang noch keinen Käufer, hofft aber bald einen zu finden. Der Schätzpreis der erotomanisch aufgeladenen Korrespondenz, die zwischen den Vierziger- und Sechzigerjahren datiert, liegt zwischen 200'000 und 300'000 Pfund.
Geldnot und Peitschensehnsucht
Anne schreibt einmal: «Ich sehne mich nach dir, auch wenn du mich peitschst, denn ich liebe es, von dir verletzt und danach geküsst zu werden.» Ergo: Er peitscht. Aber ein anderes Mal wünscht sie sich eine «Fee mit einem Zauberstab» herbei, damit die Fee Anne in das Bett Ians zaubere, wo sie ihn «mit einer Lederpeitsche für 40 Jahre bändigen» dürfe. Ergo: Sie peitscht. Und zwar 40 Jahre lang, ziemlich ausdauernd. Womöglich ist die Peitsche entgegen der bekannten Nietzsche-Sentenz doch ganz gendergerecht modern und für alle da.
Fleming, der lange glücklich war mit Anne als seiner Geliebten (die verheiratet war, erst mit einem Baron, dann mit einem Viscount) und der etwas unglücklich wurde, als aus der peitschenden Geliebten eine brave Ehefrau wurde - jetzt doch wieder klischeehaft gestrig - hat die titanische Popfigur des James Bond übrigens vor allem deshalb erfunden, weil er sich erstens in seiner Ehe langweilte; und zweitens, weil er seiner an vermögende Verhältnisse gewöhnten Frau dennoch ein artgerechtes Habitat schaffen wollte. Bond ist sozusagen das Ergebnis aus Geldnot und Peitschensehnsucht, erdacht von einem «Karl May des Kalten Krieges» (Wieland Freund). Man muss dem lustigen Schicksal dankbar sein dafür.

Mit anderen Worten: Fleming schrieb Bond erstens, «um mich abzulenken» vom Alltag der Ehe, und zweitens als Figur, die Fleming war oder sein wollte. James Bond, der den Namen vermutlich von James Aitken und Harry Bond, Flemings Schulkameraden der ersten Klasse, geliehen hat, war für den Autor ein Substitut. Kein Wunder eigentlich, dass seine Frau diesen Bond verachtete. Wenn sie ihren Mann mal wirklich quälen wollte, ganz ohne Peitsche, sagte sie zu ihm, sie verbringe ihre Zeit lieber mit «echten Schriftstellern». Sie soll sehr schön und sehr intelligent (und gelegentlich sehr verheiratet) gewesen sein. Grausam konnte sie sicher auch sein. Und am Ende der zuletzt unglücklichen Ehe waren wohl beide vor allem einsam. Die Geschichte ihrer Briefe voller Sehnsucht und Verheissung, voller Sex, Abenteuer und Glamour, ist auch die Geschichte einer Einsamkeit zu zweit.
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