Benzinabgabe als Joker im Schweizer Klimapoker
UmweltpolitikDer Nationalrat nahm dem Referendum gegen das CO2-Gesetz, das Economiesuisse angedroht hatte, gestern viel Wind aus den Segeln: Er verzichtet auf den «Benzinrappen», um die Klimapolitik zu retten. Die Türe für Gaskraftwerke bleibt offen.
Die Prognose war schon gemacht: Die bürgerliche Mehrheit des Nationalrats werde dem Ständerat nicht folgen und die CO2-Abgabe auf Treibstoffen erneut ablehnen. Doch das musste sie gar nicht tun. Denn die Minderheiten, die eine Spritabgabe beantragt hatten, zogen ihre Anträge gestern unisono zurück.
Taktisches Geplänkel
Dieser Rückzieher entspringt doppelbödigen Taktiken:
Die Befürworter der Treibstoffabgabe befürchteten, FDP- und SVP-Mitglieder könnten ihren Minderheitsanträgen mit Stimmenthaltung zu einer taktischen Mehrheit verhelfen, um das Gesetz danach umso wirksamer bekämpfen zu können. Denn die Fraktionen von FDP und SVP lehnen das revidierte CO2-Gesetz als Ganzes ab: Das Ziel des Gesetzes, wonach die Schweiz bis zum Jahr 2020 ihre Treibhausgase allein im Inland um 20 Prozent senken muss, geht ihnen zu weit. Aus dem gleichen Grund haben die Wirtschaftsverbände Economiesuisse und Gewerbeverband das Referendum angekündigt (siehe Ausgabe von gestern). Falls die vom Ständerat beschlossene Benzinabgabe im Gesetz verbleibt, wird auch der TCS das Referendum ergreifen.
Die Taktik, eine Vorlage zu verschärfen, damit man sie leichter bekämpfen kann, ist nicht neu. Um dieses taktische Spiel zu unterbinden, ziehe er seinen An-trag für eine Treibstoffabgabe «schweren Herzens» zurück sagte denn auch Beat Jans (SP, BS). Das Gleiche taten danach auch die Berner Grüne Franziska Teuscher und der Bündner CVP-Mann Sep Cathomas.
Auf diese Gegentaktik von links reagierten Vertreter der FDP überrascht und verärgert: «Es ist keine ehrliche Politik», sagte Filippo Leutenegger (FDP, ZH), wenn der Nationalrat einerseits am «starren Inlandziel» festhalte, andererseits aber auf die «zur Zielerreichung notwendige Massnahme» verzichte.
Limite für «Benzinrappen»
Der grüne Verzicht auf die Benzinabgabe, dem der Ständerat nächste Woche wohl folgen wird, nimmt dem angekündigten Referendum gegen das CO2-Gesetz viel Wind aus den Segeln. Das bestätigte in der Debatte Ruedi Lustenberger (CVP, LU): «Wenn die Treibstoffabgabe weg ist, ist das Referendum gegen das CO2-Gesetz nicht mehr zu gewinnen», sagte Lustenberger. Und den Referendumswilligen riet er: «Investieren Sie die zehn Millionen Franken, die sie allenfalls für die Abstimmungspropaganda ausgeben wollen, besser in den Bau eines Wasserkraftwerks.»
Gaskraftwerke
Ein weiterer Streitfall zwischen National- und Ständerat betrifft die Regelung für Gaskraftwerke. Beide Parlamentskammern verlangen zwar, dass die Betreiber von neuen Gaskraftwerken deren CO2 vollständig kompensieren müssen. Gemäss Ständerat muss diese Kompensation zu mindestens 70 Prozent im Inland erfolgen. Der Nationalrat hingegen durchlöcherte gestern diese Bestimmung:
Der Bundesrat kann den Kompensationsanteil auf 50 Prozent erhöhen, «wenn die Versorgung mit Elektrizität im Inland dies erfordert».
Die «Auslandkompensation» kann sogar auf 80 Prozent erhöht werden, falls «Kernkraftwerke vor 2020 vom Netz genommen werden müssen».
Diese zweite Bestimmung hat einen zusätzlichen Haken: Bundesrat und Stromwirtschaft versprachen, die alten Atommeiler nach einer Lebensdauer von 50 Jahren vom Netz zu nehmen. Dieses Pensionsalter erreicht das AKW Beznau I bereits 2019. Womit der Bau eines Gaskraftwerks mit dem geplanten Atomausstieg erleichtert würde.
Um die verbleibenden Differenzen zu bereinigen, geht das Gesetz jetzt zurück an den Ständerat.
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