Neues Gesetz, alte Profiteure
Das österreichische Parlament hat das Gesetz zur Finanzierung von Parteien verschärft. Nicht stark genug, finden Kritiker.

Das Strache-Video hat in der österreichischen Öffentlichkeit Parteispenden und die oftmals verschlungenen Pfade der Parteienfinanzierung zum Thema hitziger Debatten gemacht. Der frühere FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache hatte auf Ibiza eine vermeintliche russische Oligarchen-Nichte auf versteckte Vereine aufmerksam gemacht, über die sie «am Rechnungshof vorbei», also ohne Meldepflicht, der FPÖ ihre Dankbarkeit erweisen könne.
Das würden so auch «ein paar sehr Vermögende» machen, die «zahlen zwischen 500'000 und eineinhalb bis zwei Millionen», prahlte Strache damals.
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt nun in dieser Angelegenheit auch gegen andere Parteien und die vom FPÖ-Chef im Video genannten Unternehmen wegen Untreue. Dies ist einer vierseitigen Ermittlungsanordnung zu entnehmen, die der Wiener Wochenzeitung «Falter» zugespielt wurde. Bisher nachgewiesen werden konnte allerdings kein einziger Cent solcher illegaler Spenden, auch dementierten alle Beteiligten die Vorwürfe umgehend.
Experten halten die von SPÖ und FPÖ beschlossenen Obergrenzen für «sehr eigennützig».
Dennoch beschäftigt die Ibiza-Affäre nicht nur die Staatsanwaltschaft, auch das Parlament hat sich bereits zu einer Gesetzesänderung bewegt. Das neue Gesetz zur Parteienfinanzierung ist seit dieser Woche in Kraft. Bisher gab es keine Obergrenze für Spenden, nur eine Meldepflicht – die aber, wenn man Straches Worten im Video Glauben schenken mag, möglicherweise nicht immer ganz so genau genommen wurde.
Die Erwartungshaltung an die Gesetzesreform war dementsprechend gross – und die Enttäuschung hinterher bei Kennern der Materie noch grösser. «Die Neuregelung ist keine Antwort auf Ibiza», sagt Hubert Sickinger, Politikwissenschaftler und Experte für Parteienfinanzierung. «Das ist nur eine Antwort darauf, dass wir im Herbst eine Neuwahl haben.»
Keine Grossspenden mehr
Die Sozialdemokraten (SPÖ) haben sich im Parlament in dieser Frage ausgerechnet mit der FPÖ zusammengetan, die im Mittelpunkt der ganzen Affäre steht. Beschlossen wurden dabei Veränderungen, die Sickinger als «Lex ÖVP» bezeichnet. Im Zentrum steht eine doppelte Deckelung, die vorab der Volkspartei des Ex-Kanzlers Sebastian Kurz schadet: Kein Spender darf mehr als 7500 Euro im Jahr geben, und keine politische Partei darf mehr als 750000 Euro an Spenden einnehmen.
Ausländische Spenden sind nun komplett untersagt. Bisher waren nach oben offene Beträge zulässig, was vor allem die liberalen Neos und die ÖVP nutzten. Die ÖVP hat im vorigen Wahljahr 2017 etwa 4,4 Millionen Euro an Spenden eingenommen, fast eine Million davon von zwei Grossspendern allein. Und sie hatte sich damit einen höchst erfolgreichen Wahlkampf finanziert, der satte 6 Millionen Euro über der erlaubten Wahlkampf-Kostengrenze von 7 Millionen Euro lag. «Weder SPÖ noch Freiheitliche können sich einen so teuren Wahlkampf leisten», sagt Sickinger. Der Experte hält die mit der Parlamentsmehrheit von SPÖ und FPÖ beschlossenen Obergrenzen nicht nur für «sehr eigennützig». Er warnt auch davor, dass dies kontraproduktiv wirken könnte. «Solche Ausweichversuche, wie Strache sie auf Ibiza skizziert, werden dadurch sogar noch gefördert», fürchtet Sickinger.
Die Hoffnung ist noch nicht aufgegeben
Für vermeintlich gemeinnützige Vereine, welche Sickinger «Spenden-Waschanlagen» oder «Verschleierungsvereine» nennt, sind künftig keine schärferen Regeln vorgesehen. Mehr Transparenz in diesem Dickicht könne es aber nur geben, «wenn man die Umgehung der Rechenschaftspflicht strafbar macht», fordert er. Bislang sei die Spendenverschleierung lediglich ein Verstoss gegen das Parteiengesetz und werde in der Regel kaum sanktioniert. Auch mehr Zugriffsrechte für den Rechnungshof blieben bei der gesetzlichen Neuregelung ausgespart. SPÖ und FPÖ haben sich sogar öffentlich zu Kritik am Rechnungshof aufgeschwungen. Der Ex-FPÖ-Innenminister Herbert Kickl bezeichnet den Rechnungshof in seinem neuen Furor gegen den alten Koalitionspartner gar als «Hilfsorgan der ÖVP».
Experte Sickinger hingegen fordert bislang vergeblich, dass der Rechnungshof Einblick in die Parteibücher nehmen dürfe. Die Hoffnung auf mehr Transparenz will er allerdings noch nicht aufgeben. «Die Neuregelung ist mit Sicherheit noch nicht das letzte Wort», glaubt er. Die in Umfragen führende ÖVP werde das Thema bei den Koalitionsverhandlungen wieder aufs Tapet bringen – aus Eigeninteresse, um die ihr auferlegten Beschränkungen zu lockern. Die als Regierungspartner gehandelten Kleinparteien Neos und Grüne könnten auf mehr Kontrolle dringen.
Möglicherweise braucht es die Justiz
Allerdings haben die Neos auf die neue Gesetzeslage auf umstrittene Weise reagiert. So überwies der frühere Strabag-Chef und jahrelange Neos-Grossspender Hans Peter Haselsteiner kurz vor Inkrafttreten der Spendendeckelung noch schnell 300'000 Euro an die Partei.
Das Ibiza-Video hat Österreich so heftig erschüttert, dass die Regierung gestürzt wurde. Kein Wunder, dass auch hitzig über Parteispenden debattiert wird, schliesslich hatte der gefallene FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf den Balearen ausführlich über verschlungene Spenden-Pfade mittels vermeintlich gemeinnütziger Vereine schwadroniert. Aufgeschreckt davon hat das Parlament dann im Eilverfahren Neuregelungen für Parteispenden beschlossen. Aber diese Regelungen sind skandalös einseitig, sie gehen bewusst am Kern des Problems vorbei, und das hat ungute Gründe: Die grossen Parteien verweigern sich der Kontrolle.
Womöglich übernimmt die Justiz jetzt das, was Politiker gezielt hintertreiben: Licht ins Dickicht der Parteienfinanzierung zu bringen. Das jedenfalls hat sich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vorgenommen, die nicht nur wegen verdeckter Parteispenden an die FPÖ ermittelt, sondern auch parteinahe Vereine im Umfeld von ÖVP und FPÖ ins Visier nimmt. Die Grossen Drei stehen also im Fokus. Das könnte den Druck erhöhen, endlich politisch nachzurüsten. Nach Ibiza sollte eigentlich jedem klar sein, dass Österreichs Politik Transparenz braucht.
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