Nach Röstis Grimsel-CoupNeuer BKW-Chef will rasch den Triftsee stauen
Im Eilverfahren hat der Bund die Erhöhung der Grimselstaumauern erleichtert. BKW-Chef Robert Itschner möchte nun aber das Trift-Projekt vorziehen.

«Albert Röstis Coup für die Grimsel-Staumauer»: So titelte diese Zeitung Ende September, als das Bundesparlament ein dringliches Bundesgesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energien beschloss.
Der Berner SVP-Nationalrat und Präsident des Wasserwirtschaftsverbands lobbyierte erfolgreich. Der seit Jahren blockierte Ausbau des Grimselsees wurde angesichts des befürchteten Strommangels für dringlich erklärt. Wenige Tage später kündigte Bundesrat Ueli Maurer seinen Rücktritt an – Albert Rösti wurde Topkandidat für dessen Nachfolge.
Mehr Strom
Zum Stabwechsel kam es just in jenen Tagen auch bei der BKW. Seit 1. Oktober ist Robert Itschner neuer Chef des Berner Energiekonzerns. Zum drängenden Grimsel-Ausbau nimmt er jetzt erstmals Stellung. Und diese dürfte nach Röstis Grimsel-Coup überraschen.

Robert Itschner bekennt sich zum Ausbau der Wasserkraft allgemein und speziell zum Grimsel-Ausbau. Allerdings möchte der BKW-Chef ein anderes Projekt im Oberhasli vorziehen, den Bau des Triftstausees.
«Die BKW will beide Projekte realisieren», sagt Itschner und ergänzt: «Wir möchten das Trift-Projekt vorziehen, weil es weiter fortgeschritten ist und weil damit zusätzlicher Strom produziert werden kann.»
In Zahlen geht es um 145 Gigawattstunden zusätzlichen Strom. Das entspricht zwar bloss rund 0,2 Prozent des Jahresverbrauchs der Schweiz. «In einer Mangellage im Winter kann es aber sehr viel wichtiger sein, mit dem zusätzlichen Strom genau dann produzieren zu können, um die Versorgungssicherheit zu verbessern», sagt Itschner.
Die Vergrösserung des Grimselstausees bringt hingegen nicht zusätzlichen Strom. Denn es fällt ja deswegen nicht mehr Wasser vom Himmel, das turbiniert werden kann. Aber im grösseren See kann mehr Wasser eingestaut und damit für die Stromproduktion an kritischen Wintertagen zurückgehalten werden.
Riesige Batterien
Grimsel und Trift wären riesige Batterien. Total würde der Stromspeicher um 455 Gigawattstunden vergrössert. Zum Vergleich: Für diesen Winter hat der Bund notfallmässig Reserven von 400 Gigawattstunden bei Wasserkraftwerken bestellt. So sollte die Stromversorgung in der Schweiz für etwa drei Wochen gesichert werden können.
Der Dringlichkeitsbeschluss zur Vergrösserung des Grimselsees gilt allerdings nicht für die Trift. Zum Bedauern von Albert Rösti. Und auch von Energieministerin Simonetta Sommaruga. «Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten Sie das Trift-Projekt auch gleich noch aufnehmen können», sagte sie im Nationalrat.
Auch Itschner findet, «idealerweise hätten wir auch einen Bundesbeschluss zu Trift, das wäre eine sehr gute Sache». Bundesbern könnte nun beim hängigen Vorstoss zum dringlichen Ausbau der Windkraft einen Trift-Paragrafen einfügen. Möglicherweise ist das aber gar nicht nötig.
Frühestens in acht Jahren
Denn Trift gehört ebenso wie Grimsel zu den 15 Stauseeprojekten, die gemäss dem von Bundesrätin Sommaruga ins Leben gerufenen runden Tisch schnell realisiert werden sollen. Das nationale Interesse an diesen Anlagen soll anderen Interessen grundsätzlich vorgehen. Das entsprechende Gesetz ist zwar noch nicht in Kraft; bis die Baubewilligung und die Konzession für Trift erteilt sind, dürfte es aber so weit sein.
Die BKW rechnet für nächstes Jahr mit einem Konzessionsentscheid des Grossen Rates. Ohne Beschwerden könnte 2025 die Baubewilligung erteilt werden. Der Bau würde dann nochmals sechs bis acht Jahre dauern. Diese Batterie ist also noch manchen Winter nicht bereit, selbst wenn keine Beschwerden erhoben werden.
Widerstand bleibt
Die Projektgegner des Trift-Komitees haben aber schon Einsprachen angekündigt. Auch von den Dringlichkeitsbeschlüssen lassen sie sich nicht entmutigen: «Selbstverständlich werden wir auch weiterhin alle Möglichkeiten prüfen und ausschöpfen, die Trift, dieses wertvolle, unberührte Bergtal, zu retten», sagt das Mitglied Katharina von Steiger. Dieses Engagement für die Natur gehe über die kurzfristigen Energiedebatten hinaus.
Für Itschner ist der Eingriff in die Landschaft an der Trift dagegen gerechtfertigt. «Wir ersetzen in diesem Geländekessel, der noch vor wenigen Jahren vom Gletscher bedeckt war, im Wesentlichen Eis durch Wasser. Das ist doch ein akzeptabler Eingriff.»
«Den Gerichten wird die Botschaft gegeben, dass das nationale Interesse am Bau dieser Anlagen sehr hoch zu werten ist.»
Der BKW-Chef betont, er wolle nicht, dass Beschwerden verunmöglicht würden. «Wichtig ist aber, dass den Gerichten die Botschaft auf den Weg gegeben wird, dass das nationale Interesse am Bau dieser Anlagen sehr hoch zu werten ist.» So müsse neu austariert werden, wer welche Einsprachemöglichkeiten hat, zu welchem Zeitpunkt und wie lange solche Prozesse laufen können.
«Wenn wir Grimsel und Trift nicht bauen können, dann stellt sich schon die Frage, wie wir in der Schweiz die Energieversorgung sichern wollen», sagt Itschner. Denn dies seien ausgereifte Projekte, von bewährten Organisationen geführt, an bestens geeigneten Standorten mit lokal grosser Akzeptanz. Und anders als bei der Atomkraft sei die Bevölkerung grossmehrheitlich dafür.
Ringen um Konzession
Bei der Finanzierung der 15 Stauseeprojekte kommt der Bund den Betreibern weit entgegen. Investitionsbeihilfen von bis zu 60 Prozent sind vorgesehen. Dies bei geschätzten Projektkosten an der Trift von rund 400 Millionen und für die Grimselseevergrösserung von rund 250 Millionen Franken.
Um die Finanzierung der Investition wird im Hintergrund dennoch gerungen. Es geht um die Konzession und die Beteiligungsverhältnisse beim Gemeinschaftsunternehmen Kraftwerke Oberhasli (KWO). BKW-Präsident Roger Baillod hat in dieser Zeitung bereits angekündigt, dass die BKW daran interessiert ist, ihren bisherigen KWO-Anteil von 50 Prozent auf eine Mehrheitsbeteiligung auszubauen. Bislang halten die Stadtwerke von Bern, Basel und Zürich je ein Sechstel.
Die Konzession der KWO, die der Kanton Bern vergibt, läuft Ende 2042 aus. Klar ist, dass kein Unternehmen ein Ausbauprojekt finanzieren würde, wenn es in ein paar Jahren die Konzession verlieren würde. «Wir möchten schon bald einen Entscheid, dass die KWO die Konzession erneuern kann. Oder dann müsste eine mögliche Abgeltungsentschädigung vereinbart werden», fordert Itschner.
Korrekturen am Grimselprojekt
Die neue Ausgangslage nutzen die Verantwortlichen, um beim Grimselprojekt Anpassungen zu prüfen. Hier müssen zwei Staumauern erhöht werden, links und rechts des auf einem Felsnollen über dem See thronenden Hospiz-Hotels.
Die in die Jahre gekommene Spitallamm-Staumauer wird derzeit bereits durch einen Neubau ersetzt. Bewilligt ist bislang nur der Bau einer gleich hohen Ersatzmauer. Für Albert Rösti und seine Mitstreiterinnen wäre es aber unsinnig, diese Mauer nicht gleich um die geplanten 23 Meter höher bauen zu können.

Aber: Für die andere Mauer war bislang eine Erhöhung auf dem bestehenden Fundament geplant. Nun wird überprüft, ob nicht eine neue Mauer talseitig erstellt werden soll. Ansonsten müsste während der Bauzeit der Grimselsee abgesenkt werden. Dies könnte zu einem Speicherverlust über mehrere Jahre führen.

Auch die Verlegung der Grimselpassstrasse, die bei der Erhöhung der Staumauer im See versinken würde, wird überprüft. Geplant war bislang, beim Hospiz eine 350 Meter lange Schrägseilbrücke ans andere Ufer zu bauen. Deren Unterhalt dürfte aber speziell im Winter schwierig sein. Daher ist für Itschner nun der Bau eines Strassentunnels eine Alternative.
Bis zum Konzessionsentscheid bleibe aber noch genug Zeit, um das Baubewilligungsgesuch anzupassen. Im Idealfall könnte es 2026 losgehen, gleich im Anschluss an die Fertigstellung der Spitalllamm-Ersatzmauer. Weitere sechs Jahre würde der Bau dauern. Itschner zeigt sich zuversichtlich, «wir freuen uns über den neuen Schwung für das Projekt aus der Politik».
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