Neuenburg verliert wohl seine Raffinerie – 260 Jobs betroffen
Die Petroplus-Raffinerie in Cressier steht vor der Stilllegung. Dies, obwohl der arg in Finanznöten steckende Konzern Petroplus eine Verschnaufpause von den Kreditgebern erhielt.

Die Stilllegung der Raffinerie in Cressier NE werde nächste Woche plangemäss eingeleitet. Dann dürften die restlichen Erdölvorräte verbraucht sein und man werde beginnen, die Anlage sicher herunterzufahren, teilte Petroplus gestern Abend mit. Dadurch sind in Cressier insgesamt rund 260 Arbeitsplätze gefährdet.
Petroplus hat gestern bekannt gegeben, mit den Kreditgebern der rollenden Kreditfazilität eine vorübergehende Übereinkunft getroffen zu haben. Damit erhalte der Konzern genügend Geld, um den Betrieb der Raffinerien im deutschen Ingolstadt und im englischen Coryton aufrechtzuerhalten.
Zudem ermöglicht die Einigung dem Konzern, weitere Verhandlungen mit den Banken zu führen, um eine Ergänzung zur Kreditlinie zu erhalten. Eine solche Ergänzung soll gemäss Petroplus in der zweiten Januarhälfte vorliegen. Weiter liefen Verhandlungen mit einer Drittpartei, welche die Versorgung der Raffinerien in Coryton und Ingolstadt mit Öl gewährleisten solle.
Kredite eingefroren
Kurz nach Weihnachten hatten die Kreditgeber des angeschlagenen Konzerns noch nicht bezogene Kredite über 1 Milliarden Dollar eingefroren. Zudem wurde der Zugang von Petroplus zur Gesamtheit seiner Kredite beschränkt. Damit kann der Konzern kein neues Rohöl mehr kaufen. Das Unternehmen schreibt seit 2008 rote Zahlen und fuhr in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2011 einen Verlust von 413,3 Millionen Dollar ein. Wegen Rohölmangels will Petroplus noch in diesem Monat die Produktion in drei seiner fünf europäischen Raffinerien einstellen.
So sind die Raffinerien im belgischen Antwerpen und im französischen Petit-Couronne mittlerweile heruntergefahren worden. Die Streiks in Petit-Couronne seien indes noch immer im Gang, was die Auslieferung von Produkten behindere.
Aktie im Plus
An der Börse reagierten die Anleger erfreut auf die Nachricht der vorübergehenden Übereinkunft mit den Kreditgebern. Die Aktie schoss bis gegen Mittag um 28,3 Prozent auf 1.54 Franken nach oben. Zeitweise hatte sie gar um fast die Hälfte zugelegt. Die hohen Kursgewinne dürfen aber nicht überschätzt werden: im Vergleich zum Jahresende 2011 weisen die Titel weiter ein Minus von 31 Prozent aus.
Marktteilnehmer werten die mit den Banken getroffene Vereinbarung zwar grundsätzlich als positiv, aber sie sei nicht viel mehr als eine kurze Verschnaufpause. Damit habe das Unternehmen doch etwas Zeit gewonnen, um eine tragfähige Lösung zu finden, schreibt die ZKB in einem Kommentar. Laut einem UBS-Analysten steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bankrott vermieden werden kann.
Kurzfristig kein Engpass
Kurzfristig werde es bei einer Schliessung von Cressier zu keinem Engpass in der Schweiz kommen, sagte der neue Geschäftsführer der Erdöl-Vereinigung, Niklaus Boss, am Donnerstag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SDA. Mittel- und langfristig wäre ein Ausfall oder eine Schliessung von Cressier eine Abkehr von der bewährten Versorgungsstrategie der Schweiz. Diese basiere zu zwei Dritteln auf dem Import von Fertigprodukten aus der EU. Rund ein Drittel wird als Rohöl in die Schweiz importiert, das in hiesigen Raffinerien zu Erdölprodukten verarbeitet wird.
«Das Rohöl, das wir importieren, kommt aus dem Mittelmeerraum. Der grösste Teil der Fertigprodukte kommt aus dem Nordseeraum», sagte Boss. Wenn beispielsweise der Rhein wenig Wasser führte, konnte man bisher die Produktion in den Raffinerien höherfahren. Umgekehrt konnte die Schweiz mehr über den Rhein importieren, wenn in Marseille oder Genua gestreikt wurde.
Wenn neben Cressier auch noch die zweite Raffinerie in Collombey VS dichtmachen würde, hätte die Schweiz ein Problem: Die Bahninfrastruktur wäre überlastet, um den Zusatzbedarf zu befördern, sagte Boss in einem Interview mit der Zeitung «Touring». Eine Schliessung von Cressier würde auf europäischer Ebene keine Rolle spielen. Es sei kein Preisanstieg beim Grundstoff an der Rotterdamer Börse zu erwarten, sagte Boss der SDA.
Kritik an Collombey
In der von Tamoil betriebenen Raffinerie in Collombey gibt es derzeit zwar keine Anzeichen für Probleme im Betrieb. Allerdings steht die Anlage wegen Problemen mit dem Umweltschutz immer wieder im Visier der Behörden – unter anderem erstattete der Kanton Wallis 2009 Strafanzeige wegen einer Gewässerverschmutzung.
Bis Ende Jahr hatte die Raffinerie einen Bericht wegen nicht ausgeführter Sanierungsarbeiten bei der Walliser Dienststelle für Umweltschutz einreichen müssen. Dieser sei angekommen und werde nun geprüft, sagte der Dienststellenchef Cédric Arnold am Donnerstag auf Anfrage.
SDA/rub
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