Neue Vielfalt im Stall der Gentechtiere
Labortechniken erschaffen kleine Schweine, hornlose Kühe oder muskulöse Lämmer. Diese könnten schon bald auf unseren Tellern landen.

Die kleinen Viecher werden immer wie Ferkel aussehen, das steckt in ihren Genen. Die Mikroschweine des chinesischen Forschungsverbundes BGI werden nur so gross wie ein Dackel und 15 Kilogramm schwer. Sie tragen einen defekten Rezeptor für Wachstumshormone. Die putzigen Gesellen waren vor zwei Jahren der Publikumsliebling an einer Messe in Shenzhen, und spontan kündigte BGI an, sie als Haustiere zu liefern.
«Das wird nun nicht gemacht», sagt Lars Bolund, pensionierter Professor von der Aarhus-Universität in Dänemark. «Die Schweine fühlen sich im Stall wohler als in einer Wohnung.» Der Arzt und Biologe war massgeblich an der Entwicklung der Mikroschweine beteiligt – aber als Versuchstiere. Er arbeitet seit 30 Jahren mit chinesischen Wissenschaftlern zusammen. Derzeit baut der Däne in Qingdao ein biomedizinisches Forschungszentrum auf.
Mikroschweine und Organspender

Auch Mikroschweine werden dort einziehen. Sie sind Modelltiere, um menschliche Krankheiten zu erforschen. Die kleinwüchsigen Schweine tragen eine Mutation, die auch Menschen mit dem seltenen Gendefekt Laron-Syndrom haben. Das Überraschende: Die betroffenen Menschen erkranken seltener an altersbedingten Zivilisationskrankheiten. Die Mikroschweine eignen sich, um eine gesunde Darmflora zu erforschen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck oder Krebs.
Noch nie war es so einfach wie heute, das Erbgut von Tieren gezielt, schnell und kostengünstig zu verändern. Der Grund für die Revolution in Labor und Stall ist einmal mehr das Genwerkzeug mit dem sperrigen Namen Crispr/Cas, das seit fünf Jahren bei Genforschern für Furore sorgt. Die beiden Komponenten Crispr und Cas funktionieren ähnlich wie ein Schreibprogramm, das in der DNA einzelne Buchstaben nach dem Prinzip «suche und ersetze» herausschneidet, verändert oder ganze Gene wie neue Wörter in das Erbgut einfügt.
Das Verfahren hat auch der Xenotransplantation einen rasanten Aufschwung verliehen. Bis vor kurzem erschien es kaum machbar, kranken Menschen Organe von Tieren zu verpflanzen. Die Hauptprobleme: Schweineorgane, die Primaten transplantiert worden waren, riefen eine ungewöhnlich starke Abwehrreaktion des Immunsystems hervor. Zudem befürchteten Forscher, dass durch eine Transplantation potenziell gefährliche Schweineviren auf Menschen übertragen werden könnten. Dank moderner Genome-Editing-Techniken, zu denen neben Crispr/Cas auch die Vorläufer mit ebenso komplizierten Namen – Zinkfingernukleasen und Talen – gehören, sind einige Probleme inzwischen so gut wie gelöst.
Schweineherz schlug 945 Tage in Pavian
Im September präsentierte ein internationales Forscherteam die ersten Schweine, in deren Erbgut sämtliche der gefürchteten Schweineviren (Porcine Endogenous Retrovirus, Perv) zerstört worden waren – dank der Genschere Crispr/CAS. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachmagazin «Science».
Und auch bei der Lösung des zweiten Problems, der Abstossungsreaktion, erzielten Forscher erste Erfolge. Eine Gruppe um Muhammad Mohiuddin von den Nationalen Gesundheitsinstituten (NIH) in Bethesda, USA, hat fünf Herzen von genetisch veränderten Schweinen in Paviane verpflanzt. Eines davon schlug 945 Tage im Körper eines Primaten, wie das Team letztes Jahr im Journal «Nature Communications» berichtete.
Dieses am längsten schlagende Herz stammte aus Schweinen, die Eckhard Wolf von der LMU München mit seinem Team gleich mehrfach gentechnisch verändert hatte. Die Änderungen betrafen das Blutgerinnungssystem. Wenn nämlich Primatenblut durch ein artfremdes Herz fliesst, kann das zur unerwünschten Blutgerinnung und Thromben führen, was eine Abstossung zur Folge hat. Die genetischen Anpassungen an das Blutgerinnungssystem der Paviane verhinderten diese Abstossungsreaktionen. «Es herrscht eine grosse Aufbruchstimmung auf dem Gebiet», sagt Wolf und meint damit nicht nur Tiermodelle oder die Xenotransplantation.
Gentechlachse zum Verzehr «unbedenklich»
Die neue Technik macht auch vor Nutztieren nicht halt. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Produkte von gentechnisch veränderten Rindern, Schweinen oder Schafen auf unseren Tellern landen. Technisch entwickle sich das Forschungsfeld rapide, und die Kommerzialisierung sei nicht mehr weit, schrieb Ann Bruce von der University of Edinburgh kürzlich in «Transgenic Research».
Zudem hätten weltweit erstmals Behörden grünes Licht gegeben für gentechnisch veränderte Tiere, die der menschlichen Ernährung dienen. 2015 liess die US Food and Drug Administration gentechnisch veränderten Lachs als Nahrungsmittel zu, die entsprechende kanadische Behörde folgte letztes Jahr. Der Verzehr der schnell wachsenden Fische sei unbedenklich, beschieden die Inspektoren – 20 Jahre nachdem die Firma AquaBounty den ersten Zulassungsantrag gestellt hatte. Die Lachse wurden noch mit früheren, sehr aufwendigen Gentechverfahren hergestellt.
Heute geht die Entwicklung schneller. Ein Beispiel sind Milchkühe, die nach einer Genveränderung keine Hörner mehr ausbilden. Sie stehen in den USA bereits im Stall. Manch eine Rasse besitzt zwar auch nach einer natürlichen Mutation keine Hörner mehr, wie etwa die Angusrinder. Milchkühe sind jedoch nicht darunter.
Heute ist es in den USA und Europa in den meisten Fällen üblich, die Hörner von Rindern zu verätzen oder abzusägen, damit sie sich nicht verletzen. Die Enthornung ist für die Tiere jedoch schmerzhaft und für die Landwirte teuer. US-Forschern um Scott Fahrenkrug von der University of Minnesota in Minneapolis ist es gelungen, das Gen für die Ausbildung der Hörner in einer Milchkuhrasse auszuschalten.
Genome Editing wird aber auch eingesetzt, um buchstäblich mehr Fleisch an die Knochen zu bringen. Ein Beispiel dafür sind Lämmer aus Uruguay, deren Muskeln schneller wachsen. Forscher um Alejo Menchaca vom Pasteur-Institut in Montevideo zerstörten ein Gen, das normalerweise das Muskelwachstum nach einiger Zeit hemmt. Während 30 Tage alte Lämmer der verwendeten Rasse etwa 9 Kilo wogen, brachten die veränderten Schafe fast 2,5 Kilo mehr auf die Waage.
Selbst Vögel stehen auf der Liste der Nutztierforscher. In Australien tüfteln Mitarbeiter der Firma Csiro daran, Hühner zu züchten, deren Eier keine Allergien auslösen. Und schliesslich hat die Genschere Crispr/CAS auch schon im Genom von Haustieren geschnippelt: Ein chinesisches Team hat Hunden mehr Muskeln verpasst, ein anderes ist dabei, Koifischen tolle Muster auf die Schuppen zu malen – mit gentechnischer Hilfe.
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