Neu sollen einzelne Manager zahlen
Das noch junge Kartellrecht soll schon wieder umgestaltet werden, um verantwortliche Manager direkt belangen zu können. Kritiker dieser Revision befürchten jedoch eine fintenreiche Aushöhlung des heutigen Rechts.
Die Weichen sind gestellt, die Anpassung des noch jungen Kartellrechts dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Folgende zwei Änderungen zeichnen sich ab: Erstens sollen nicht mehr nur Unternehmen, sondern auch verantwortliche Manager direkt zur Rechenschaft gezogen werden können. Und zweitens sollen die Bussen gegen Unternehmen reduziert werden können, wenn diese interne Kontrollen zur Verhinderung von kartellrechtlichen Verstössen durchführen.
Über die Folgen der Änderungen, die eine Revisionsvorlage des Bundesrats ergänzen dürften (siehe Kasten), gehen die Meinungen auseinander. Ein griffigeres, wirksameres Kartellrecht versprechen jene Politiker, welche die Gesetzesanpassungen fordern. Die Gegner befürchten jedoch das Gegenteil: eine Verwässerung der heutigen Gesetzgebung. Aus Konsumentensicht wäre das äusserst unerfreulich, denn es würde Unternehmen erleichtern, ihre Marktmacht zu missbrauchen und überhöhte Preise abzuschöpfen.
Hintergedanken?
SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) warnt vor einer «Aufweichung» des heutigen Kartellrechts. Ihr Parteikollege Nationalrat Hans-Jürg Fehr (SP, SH) ergänzt: «Die Motion ist darauf angelegt, das Unternehmen aus der Verantwortung herauszunehmen und diese einzelnen Mitarbeitern anzuhängen.»
Auch Weko-Präsident Walter Stoffel, der an vorderster Front gegen Kartelle ankämpft, beurteilt die hängigen Motionen (siehe Kasten) skeptisch. Die Absicht sei nicht klar: «Geht es wirklich allen darum, das Kartellrecht zu stärken – oder gibt es nicht an gewissen Stellen Hintergedanken?» Stoffel betont weiter, dass das heutige Recht griffig sei und seit seiner Inkraftsetzung im Jahr 2004 bereits spürbar Wirkung gezeigt habe. Sanktionen können seit April 2005 verhängt werden. «Vor allem auf Grund der Sanktionen hat in den Unternehmen ein Umdenken stattgefunden», erläutert Stoffel. Das zeige sich zum Beispiel daran, dass die Compliance in Schweizer Unternehmen an Bedeutung gewonnen habe. Bei der Compliance geht es um firmeninterne Kontrollmechanismen, die helfen, kartellrechtliche Verstösse zu verhindern.
Grenzen der Kontrolle
Eine Anpassung des Kartellrechts fordert unter anderem der Zuger FDP-Ständerat Rolf Schweiger (siehe Kasten). Er macht zwei Gründe geltend. Erstens genüge es nicht, einzig und allein das Gesamtunternehmen zu bestrafen. Denn selbst bei der besten Kontrolle sei es in grossen weltweit tätigen Unternehmen nicht möglich alle Verstösse von Mitarbeitern zu verhindern. Es scheitere immer am Faktor Mensch, argumentiert Schweiger. Wenn einer unbedingt wolle, dann könne die beste Compliance nicht ändern. «Wenn Jugendliche trotz bester Erziehung Unrechtes tun, kann man trotzdem nicht Eltern für alles zur Rechenschaft ziehen.»
So sei es durchaus denkbar, dass beispielsweise ein Manager in einer südkoreanischen Niederlassung ohne das Wissen seiner Vorgesetzten gegen das Kartellrecht verstosse. Dies allenfalls, um einen höheren Bonus zu erhalten. Dieser verantwortliche Manager müsse bestraft werden können.
Umstrittene Bussen
Zweitens verlangt Schweiger, dass Unternehmen entlastet werden, die eine Compliance eingeführt haben. Wenn jemand kein Verschulden treffe, solle er nicht bestraft werden. Bei einem kleineren Verschulden solle er weniger bestraft werden. «Wenn ein Unternehmen all das macht, was das Gesetz von ihm verlangt, dann kann man nicht verlangen, dass es bestraft wird», meint Schweiger.
Stoffel hält eine solche Strafmilderung von Unternehmen für falsch. Denn der Zweck des Gesetzes müsse doch sein, mit Bussen Gesetzesverstösse zu vermeiden und nicht mit Kontrollmechanismen Bussen zu umgehen. Stoffel bestreitet nicht, dass die interne Kontrolle in weltweit dezentralisierten Holdings schwierig sein kann. «Wenn aber eine Untergesellschaft zu Gunsten des gesamten Unternehmens in systematischer Weise über längere Zeit gegen Gesetze verstossen kann, muss man sich fragen, ob hier noch von wirksamen Kontrollmechanismen gesprochen werden kann.»
Selbst bürgerliche Kreise begegnen dieser Forderung Schweigers mit Skepsis. So setzte der Solothurner CVP-Nationalrat Pirmin Bischof in der nationalrätlichen Wirtschaftskommission erfolgreich durch, dass die Busse nicht komplett gestrichen wird, wenn firmeninterne Kontrollmechanismen vorhanden sind. Stattdessen soll die Geldstrafe nur reduziert werden. Nach Ansicht von Pirmin Bischof muss das ausreichen, um einen Anreiz für solche Kontrollen zu schaffen. Schweiger erklärt gegenüber dieser Zeitung, dass er in diesem Punkt einlenke, womit diese neue Variante auch im Ständerat gute Chancen haben dürfte.
Sogar Freiheitsstrafen?
Die Motion Schweiger lässt offen, wie weit die Bestrafung einzelner Manager gehen soll. Bischof bevorzugt eine Variante, die auch Freiheitsstrafen vorsieht. «Wenn gegen einzelne verantwortliche Mitarbeiter Bussen verhängt werden, so bezahlt diese in vielen Fällen letztlich wohl das Unternehmen – das wäre eine Verwässerung der heutigen Rechtsgrundlage.» Die Androhung von Freiheitsstrafen sei hingegen wesentlich wirksamer, weil hier das Unternehmen nicht einspringen könne.
Dies wäre allerdings eine grundsätzliche Änderung des heutigen Systems, weil damit neu ein strafrechtliches Element eingeführt würde. Die Schweiz orientiert sich heute am Kartellrecht der EU, das keine Freiheitsstrafen vorsieht. Gemäss Karl Hofstetter, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich und Chefjurist des Liftkonzerns Schindler, spricht aber einiges gegen die EU-Rechtspraxis: So verzichte die EU nur aus einem einzigen Grund auf eine differenzierte Sanktionierung: «Sie kann keine strafrechtlichen Sanktionen aussprechen.» Stattdessen verhänge sie je länger je höhere Bussen – inzwischen weltweit die höchsten Beträge. Und dies in einem höchst fragwürdigen Verfahren: «Die EU-Kommission agiert gleichzeitig als Gesetzgeberin, als Untersuchungsbehörde und Richterinstanz – von Gewaltentrennung kann da also keine Rede sein», kritisiert Hofstetter.
Noch wenig Praxis
Stoffel steht einer grundsätzlichen Revision des Kartellrechts skeptisch gegenüber, weil Gerichte und Juristen mit der heutigen Gesetzesgrundlage noch nicht genügend Praxiserfahrungen gesammelt hätten: «Mit einem Schnellschuss wird mehr Schaden angerichtet, als Nutzen gestiftet.» Anpassungsbedarf besteht nach seiner Ansicht derzeit höchstens beim Verfahren – dieses könne noch beschleunigt werden.
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