Nette Nachbarin muss nicht in Haft
Eine Betreuerin hat eine betagte Frau schamlos ausgenützt. Nun wurde sie zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt.

Sie war die nette Nachbarin. Eine heute 63-jährige Schweizerin betreute ab dem Sommer 2014 eine betagte Frau im Quartier. Sie besorgte die Einkäufe, pflegte sie, kochte ihr das Essen. Am liebsten kümmerte sie sich um Geldangelegenheiten der fast 90-jährigen Frau. Denn so konnte sie deren Geld zum eigenen machen. Nach einem Jahr flog sie auf.
Am Donnerstag verurteilte das Regionalgericht Bern-Mittelland die Frau wegen Veruntreuung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten. Die Probezeit beträgt fünf Jahre. Der Geschädigten muss sie 174 000 Franken Schadenersatz zahlen. Vom Vorwurf des Diebstahls sprach sie das Gericht hingegen frei. Und auch bei der Veruntreuung urteilte das Gericht teilweise im Sinn der Frau.
Staatsanwältin Irma Jaggi hatte am Donnerstag für eine teilbedingte 36-monatige Freiheitsstrafe plädiert. Die Frau habe grosse kriminelle Energie aufgewendet. Verteidiger Martin Gärtl hatte hingegen einen Freispruch gefordert. Seine Mandantin habe stets im Einverständnis mit der Betagten gehandelt.
Kein Anspruch aufs Geld
«In diesem Fall ist nicht alles schwarz oder weiss», sagte Gerichtspräsident Urs Herren, «es gibt auch Grautöne.» Fest steht für das Gericht, dass die Betreuerin das Vertrauen der betagten Frau schamlos ausnützte. Dank einer Vollmacht und einer Bankkarte liess sie sich am Schalter Geld auszahlen und hob hohe Beträge an Automaten ab.
«Es wurde ihr sehr leicht gemacht, auch die Bank fragte nicht nach», sagte Herren. Aber die Frau hätte wissen müssen, dass sie keinen Anspruch auf das Geld habe. Selbst dann nicht, wenn gestimmt hätte, dass sie von der Betagten als Alleinerbin eingesetzt worden wäre. Dies hatte sie behauptet. Tatsächlich hatte die Betagte den Sohn der Betreuerin als Erben eingesetzt.
Entlastende Dokumente
Laut Gericht hat die Betreuerin 235 000 Franken veruntreut. Das sind 90 000 Franken weniger als in der Anklage aufgeführt. Die Differenz erklärt sich damit, dass das Gericht eine Vereinbarung zwischen den beiden Frauen für eine Überweisung von 80 000 Franken anerkannte. 10 000 Franken zog das Gericht für Ausgaben ab, welche die Betreuerin im Auftrag der Betagten getätigt haben könnte.
Den angeklagten Diebstahl von Wertgegenständen konnte das Gericht nicht nachweisen. Und für den Peugeot der Betagten, den die Betreuerin veräussert hatte, liege eine gültige Schenkungserklärung vor.
Die betagte Frau, sagte deren Anwältin am Donnerstag, leide bis heute stark unter der Geschichte.
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